Einschätzung von IDC Cloud Computing: Atos macht ernst

Autor / Redakteur: Matthias Kraus / Katrin Hofmann

Im Dezember 2010 sorgte die Ankündigung der Akquisition von SIS (Siemens Business Services) durch den französischen IT-Services-Anbieter Atos (damals Atos Origin) für einen Paukenschlag im IT-Dienstleistungsmarkt. Damals fiel IDC eine Aussage besonders auf: Atos kündigte an, in den kommenden Jahren zu einem der weltweit wichtigsten Cloud-Anbieter aufsteigen zu wollen.

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Matthias Kraus, Research Analyst bei IDC in Frankfurt
Matthias Kraus, Research Analyst bei IDC in Frankfurt

Die Aussage von Atos, zu einem der weltweit wichtigsten Cloud-Anbieter aufsteigen zu wollen, war deshalb erstaunlich, da bis zu diesem Zeitpunkt weder von SIS noch von Atos Cloud-Angebote im Markt sichtbar waren. Es galt also abzuwarten, mit welchen Maßnahmen Atos dieses Ziel erreichen wollte.

Heute, Anfang 2012 hat sich bei Atos im Bereich Cloud Computing Einiges getan. Der ehrgeizigen Ankündigung ließ der deutsch-französische IT-Services-Provider erste Taten in Form von Allianzen und Partnerschaften folgen.

Atos Joint Venture mit chinesischem Business-Software-Anbieter UFIDA

Im Dezember 2011 kündigte Atos ein Joint Venture zwischen dem größten aus Europa stammenden IT-Services-Anbieter und dem größten chinesischen Business-Software-Anbieter Ufida an. Das Joint Venture mit dem Namen „Yunano“ adressiert neben dem chinesischen vor allem auch den mittelständischen europäischen Markt für cloud-basierte ERP-Lösungen. Atos trägt einerseits mit einem Anteil von 70 Prozent des Joint Ventures die Risiken, andererseits bringt der deutsch-französische IT-Dienstleister die Erfahrung, das Verständnis und den Zugang zum europäischen Markt ein.

Im Rahmen des Cloud-Joint-Ventures soll im ersten Schritt, voraussichtlich im zweiten Quartal 2012 eine CRM-Lösung in englischer Sprache auf den Markt gebracht werden. Für das dritte Quartal wird eine vollständige ERP-Lösung erwartet, es sollen Versionen in deutscher und französischer Sprache folgen.

IDC sieht für das Joint Venture von Atos und Ufida Potenzial für beide Seiten, allerdings birgt es gleichzeitig erhebliche Risiken. In Europa wird es für die erfolgreiche Zusammenarbeit entscheidend sein, wie gut die Ufida-Software die Anforderungen europäischer und deutscher Kunden abdecken kann. Bislang existiert die Cloud-Lösung von Ufida nur in chinesischer Sprache. Europäische Kunden können deshalb die Leistungsfähigkeit der Ufida-Lösungen bislang praktisch gar nicht einschätzen. Zusätzlich muss ein aus China stammender Software-Anbieter das Vertrauen der hiesigen Kunden erst noch gewinnen. Der Datenstandort spielt dabei eine wesentliche Rolle. Es muss sich also noch beweisen, ob cloud-basierte Lösungen des Joint Ventures Yunano in Europa und für deutsche Kunden eine echte Alternative zu den bislang etablierten Business-Software-Anbietern sein können.

Atos, EMC und VMware planen die Gründung einer strategischen Allianz

Im Februar 2012 gab Atos bekannt, dass der IT-Dienstleister eine Allianz mit EMC und deren Tochterunternehmen VMware plant. Gleichzeitig soll ein neues Unternehmen namens „Canopy“ gegründet werden, in das alle drei beteiligten Firmen investieren sollen. Canopy will eine „One-Stop-Shop-Lösung“ anbieten, die auf den Ressourcen aller drei Anbieter basiert. Dabei sollen Private, Public, Hybrid Cloud und Beratungs- und Integrationsleistungen angeboten werden – also das gesamte Cloud-Spektrum aus einer Hand. Die Daten sollen in einem Rechenzentrum in Deutschland gespeichert werden. Dies ist aus Sicht von IDC entscheidend, denn die Ergebnisse mehrerer IDC-Befragungen zeigen klar: Für deutsche Unternehmen stellt der Verzicht auf einen deutschen Datenstandort – auch aufgrund von Unsicherheiten hinsichtlich der gesetzlichen Regularien – eine der größten Hürden für die Nutzung von Public-Cloud-Services dar.

Wie Matthias Kraus diese Allianz bewertet und welches Fazit er zieht, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Mehr Fragen als Antworten

Im Hinblick auf dieses Announcement gibt es aktuell allerdings noch mehr Fragen als Antworten. Aus Sicht von IDC ist es richtig, die angestrebte Allianz frühzeitig zu verkünden. Atos – inklusive der früheren SIS – wurde bislang kaum als Anbieter von Cloud Computing wahrgenommen. Noch ist dieser Markt in all seinen Facetten verglichen mit den traditionellen IT-Märkten relativ jung. IDC beobachtet viel Bewegung: Neue Cloud-Angebote sprießen fast wöchentlich aus dem Boden und der Markt wird aus Anwendersicht zunehmend unübersichtlicher. IDC erwartet deshalb in den kommenden Jahren zahleiche Mergers & Akquisitions sowie Partnerschaften, damit langsam ein „Cloud-Ökosystem“ entstehen kann. Deshalb ist es jetzt entscheidend für Anbieter, sich in einer solch entscheidenden Phase der Marktentwicklung klar zu positionieren.

Neben der mangelnden Bekanntheit stellt sich zudem die Frage, ob die potenziellen Kunden überhaupt eine „One-Shop-Lösung“ haben möchten oder am Ende eher eine „Best-of-Breed“ Strategie bevorzugen. Die zunehmenden Cloud-Angebote halten für Anwenderunternehmen zahlreiche Möglichkeiten bereit, gleichzeitig wird der Markt intransparenter. Auswahl und Implementierung der verschiedenen Cloud-Dienste sowie die Integration mit der herkömmlichen IT-Umgebung kosten Zeit und Ressourcen. Eine Lösung aus einer Hand könnte die eigene IT-Mannschaft von diesem Aufwand zumindest teilweise entlasten.

Fazit

Auch wenn es noch zahlreiche offene Fragen zu „Yunano“ und „Canopy“ gibt, so zeigen die Ankündigungen der letzten Zeit doch, dass Atos es ernst meint mit seinen Aktivitäten im Cloud-Computing-Umfeld und entsprechend investiert. In den kommenden Quartalen müssen Atos und seine Partner jedoch zeigen, wie sie die Ankündigungen mit Leben füllen und umsetzen. Eines hat Atos jedoch jetzt schon erreicht: Der Dienstleister hat aufhorchen lassen und der stark wachsende Cloud-Computing-Markt schaut auf Atos. Man darf gespannt sein, wann sich diese Investitionen auszahlen und die Anstrengungen erste Früchte tragen.

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