Technik-Trends Das Internet of Things hat mehr als nur ein Image-Problem

Franz Graser

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Zu den Technik-Prognosen des US-Magazins „Wired“ für das Jahr 2017 zählt das Ende des Internets der Dinge (IoT). Sicherheitslücken und zweifelhafte „Smart Devices“ könnten dem Hype um das IoT ein frühes Ende bereiten. Doch darin liegt die Chance für einen neuen Anfang.

Vernetzung allerorten: Der Hype um das IoT hat auch zu sinnlosen und zum Teil peinlichen Produkt- und Geschäftsideen geführt. Dies behindert die Akzeptanz des Internets der Dinge.
Vernetzung allerorten: Der Hype um das IoT hat auch zu sinnlosen und zum Teil peinlichen Produkt- und Geschäftsideen geführt. Dies behindert die Akzeptanz des Internets der Dinge.
(Bild: / CC0)

„Das Internet of Things wird sterben“ lautet der vollmundige Titel des Beitrags, mit dem der „Wired“-Autor Klint Finley dem IoT das Totenglöcklein läutet. Für diese Vorhersage führt der Autor eine Reihe von Gründen an: Etwa die massive DDoS-Attacke, bei der im vergangenen Herbst ein gigantisches Botnetz aus vernetzten Geräten namhafte Internetportale mit Traffic überflutete.

Oder die Entscheidung der Google-Konzernmutter Alphabet, die Unterstützung für die Smart Hubs des Herstellers Revolv einzustellen, vom Suchmaschinenkönig gekauft worden war und in dessen Smart-Home-Sparte Nest integriert wurde. Die Revolv-Hubs, mit denen sich zum Beispiel intelligente Lampen, Thermostate oder auch Alarmanlagen fernsteuern ließen, hatten ab Mai 2016 nur noch den Wert von Briefbeschwerern, da die dafür notwendigen Server abgeschaltet wurden.

Das bedeutet, dass der Nutzwert von sogenannten smarten Geräten zum größten Teil von webbasierten Diensten abhängt. Entscheidet sich der Hersteller oder eine Firma, die den Hersteller übernommen hat, diese Services einzustellen, dann ist der Gebrauchswert der Devices nicht mehr gegeben. In so einem Fall ist es mehr als ärgerlich, wenn man wie im Fall von Revolv das Äquivalent von mehreren hundert Euro für so ein Gerät bezahlt hat.

Dazu kommen absurde Produktideen, denen sich der Twitter-Account „Internet of Shit“ mit besonderem Genuss und einem gerüttelten Maß Häme widmet. Dazu zählt zum Beispiel die „Selfie-Bottle“. Der von Coca-Cola in Israel entwickelte Mini-Fotoapparat wird ans untere Ende einer Coca-Cola-Flasche eingeklinkt und schießt bei einem bestimmten Neigungswinkel der Flasche ein Bild. Dieses wird dann augenblicklich unter anderem auf Internetportale wie Snapchat oder Instagram hochgeladen.

Weitere Beispiele sind der smarte Teekessel oder die welterste „Smart Candle“, die im vergangenen Jahr vorgestellt wurde: Eine Kerze namens LuDela, die es ermöglichen soll, mit dem Smartphone exakt die gewünschte Lichtstimmung für das Candle-Light-Dinner einzustellen. Außerdem ist es möglich, mehrere vernetzte Kerzen per App im selben Moment zu entzünden oder auszulöschen. Oder der „Kissenger“: ein Aufsatz für das Smartphone, der es räumlich getrennten Liebenden erlaubt, über das Handy Küsse auszutauschen.

Dazu kommt, dass bestimmte Geschäftsmodelle, die mit dem Internet der Dinge verknüpft sind, bei den betroffenen Kunden nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen. Zahlreiche IoT-basierte Geschäftsmodelle gründen etwa auf der Bereitstellung von Services, so zum Beispiel von Analyse- und Wartungsdiensten. Was aber, wenn die Kunden dies gar nicht wollen, weil sie es gewohnt sind, bei den Maschinen selbst Hand anzulegen?

Das Recht, Maschinen selbst reparieren zu dürfen

Amerikanische Landwirte kämpfen inzwischen für ihr Recht, ihre Traktoren selbst reparieren zu dürfen. Laut einem Bericht des US-Magazins „modern farmer“ sieht nämlich der Traktorenhersteller John Deere die Kunden seiner modernen Landmaschinen zumindest in den USA primär als Lizenznehmer an und nicht als Eigentümer der Maschinen.

Das verpflichtet die Farmer im Fall eines Defekts dazu, die Zugmaschinen zu einem Service-Center zu bringen, anstatt die Schlepper – wie seit jeher üblich – selbst zu reparieren. Ansonsten läge nämlich unter Umständen eine Verletzung des Urheberrechts, etwa an der in den Traktoren enthaltenen Software, vor.

Nicht zuletzt zeichnet sich ab, dass die Formel „Internet of Things“ eine immer dünnere Klammer darstellt, die viele unterschiedliche Anwendungsgebiete umfasst, darunter das vernetzte Auto, das industrielle Internet, Smart Home oder Smart Healthcare, die in den kommenden Jahren an Eigenständigkeit gewinnen werden. Das könnte bedeuten, dass die momentan noch allumfassende Klammer IoT an Bindekraft verliert und die einzelnen Anwendungsfelder an Bedeutung gewinnen.

Das IoT wird nicht sterben, es wird aber zu Häutungen kommen

Das könnte dazu führen, dass die entsprechenden Applikationen schon sehr bald vor allem aus einer anwendungsspezifischen Perspektive betrachtet werden und nicht mehr so sehr durch die IoT-Brille. Eine mögliche Folge könnte sein, dass nur dort vernetzt wird, wo es sinnvoll ist und Vorteile bringt, und dass dumme Devices, die gut funktionieren, nicht auf smart getrimmt werden müssen.

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Dennoch: Das IoT wird im Gegensatz zu der eingangs angeführten „Wired“-Schlagzeile nicht sterben. Wie bei den meisten Technologiewellen wird auf den Höhepunkt des Hypes ein Tal der Ernüchterung folgen, in dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Der Begriff „IoT“ alleine wird vermutlich bald schon nicht mehr als Marketing-Argument taugen. Der Nutzen der mithilfe des IoT realisierten Anwendungen wird entscheiden, was sich am Markt behauptet und was nicht.

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