Forschungsprojekt ProChain Der Weg zu schnellen und sicheren Blockchain-Systemen
Im Projekt ProChain werden sichere, leistungsstarke Blockchain-Systeme entwickelt, die gegenüber heutigen Systemen mehr Transaktionen verarbeiten können sollen. Wir haben mit einem Forscher der TU Darmstadt über die sogenannte Off-Chain-Technologie, den Datenschutz bei ProChain und mögliche Anwendungen gesprochen. Vor allem KMU sollen mit Anwendungsfällen unterstützt werden.
Anbieter zum Thema

Im Projekt ProChain werden sichere, leistungsstarke Blockchain-Systeme entwickelt, die gegenüber heutigen Systemen mehr Transaktionen verarbeiten können. Warum ist die mögliche Transkationszahl derzeit so niedrig, und welche Probleme verursacht dies?
Blockchains stellen eine disruptive Technologie für die globale, dezentrale Abwicklung von Zahlungen dar. All dies ist ohne das Zutun eines zentralen Zahlungsdienstleisters wie z.B. einer Bank möglich. Die bei Blockchains oft hervorgehobene hohe Sicherheit wird durch eine Überprüfung durch tausende unabhängige Teilnehmer, die zusammen ein Blockchain-Netzwerk bilden, erkauft. Sie ersetzen die zentrale Instanz der Bank.
Bis sich alle Teilnehmer darauf geeinigt haben, ob eine Transaktion gültig oder fehlerhaft ist, vergeht viel Zeit. Aktuelle Netzwerke wie Bitcoin oder Ethereum können durch diese Einschränkungen nur 7 bis 20 Transaktionen pro Sekunde global abbilden. Klassische Zahlungsnetzwerke wie VISA sind Blockchains ca. um den Faktor 1000 voraus. Dieser Engpass führt in Blockchain-Netzwerken immer wieder zu hohen Wartezeiten oder erhöhten Transaktionskosten, da Nutzer sich um die limitierten Ressourcen streiten. Eine globale Massenadoption von Blockchains ist zum aktuellen Zeitpunkt undenkbar.
ProChain setzt auf sogenannte Off-Chain-Technologie. Was versteht man darunter, und welche Vorteile sind damit verbunden?
Die Idee von Off-Chain ist es, die Transaktion nicht mehr auf der Blockchain selbst, sondern direkt zwischen zwei Teilnehmern, also beispielsweise dem Online-Händler und dem Kunden, durchzuführen. Hierdurch kann das langsame Blockchain-Netzwerk umgangen und ein tausendfaches der Geschwindigkeit erreicht werden. Damit niemand betrügen kann, wird die Blockchain im Streitfall zu Rate gezogen und entscheidet, wer Recht bekommt.
Eine gute Analogie ist der Abschluss eines Vertrages. Hier geht man ja auch nicht bei jeder Zahlung zum Richter und fragt, ob dies korrekt ist, sondern ausschließlich, wenn sich beide Vertragsparteien uneinig sind. Die verwendete Technologie, die diese Sicherheitsgarantien ermöglicht, wird seit mehreren Jahren an der TU Darmstadt erforscht.
Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Technologie für besonders kleine Zahlungen, sog. Mikrotransaktionen, eignet. Dies ist mit aktuellen Zahlungssystemen nicht möglich, da die Gebühren viel zu hoch sind. So wäre beispielsweise denkbar, für jeden Online-Zeitungsartikel einen kleinen Centbetrag zu bezahlen statt ein Abo abzuschließen.
Geht es dann wirklich ganz ohne Blockchain?
Jein. Initial ist eine einzelne Transaktion nötig, um die Off-Chain Funktion zu aktivieren und die oben beschriebene Sicherheit zu garantieren. Dies kann man sich wie das Aufladen einer Prepaidkarte vorstellen. Einmal aufgeladen, kann man beliebig viele Transaktionen ausführen, bis die Karte leer ist. Der Unterschied ist allerdings, dass man Zahlungen bidirektional, also in beide Richtungen schicken und empfangen kann.
Wie profitieren IT-Sicherheit und Datenschutz von Ihren Entwicklungen?
Die aktuelle Landschaft der Applikationen, die wir täglich benutzen, stützt sich hauptsächlich auf die Angebote von Großkonzernen wie beispielsweise Google. Diese Großkonzerne können mit ihrer exzellenten finanziellen Ausstattung Unsummen in IT-Sicherheit investieren. Mithilfe von dezentralen Ansätzen wie Blockchains ist es auch mittelständischen und kleinen Unternehmen theoretisch möglich, ein Sicherheitsniveau ähnlich zu dem von Großkonzernen zu erreichen. Es hapert hierbei allerdings an einer Lösung, um diese Technologie auch in der Breite auszurollen.
Genau an dieser Stelle setzt die Perun Off-Chain Technologie an. Sie erweitert bestehende Blockchain-Lösungen und erlaubt es sowohl kleineren Unternehmen als auch Endnutzern erstmals alle Vorteile von dezentralen Anwendungen zu nutzen. So werden beispielsweise Cyberangriffe und Datenmissbrauch erschwert. Zudem gibt es keinen Single-Point-of-Failure mehr, und die Zensur von Nutzern ist schwer bis gar nicht mehr möglich. Perun kann somit als Wegbereiter für die zukunftsweisende Blockchain-Technologie gesehen werden.
Für welche Anwendungen und Branchen eignet sich ProChain bzw. Perun ganz besonders?
Der Einsatz von Blockchains und Off-Chain ist immer dann interessant, wenn Anwendungsfälle über Unternehmensgrenzen und Branchen hinweg entwickelt werden. Wir arbeiten hier vorwiegend mit Unternehmen zusammen, die bereits Blockchain-Lösungen einsetzen oder dies planen.
Ein Beispiel hierfür ist im Bereich eMobility und Energie zu finden. Der zunehmende Absatz von E-Autos zwingt Automobilkonzerne und Energielieferanten enger zusammenzuarbeiten, um die nötige Ladeinfrastruktur aufzubauen und auch Engpässe in den Energienetzen durch intelligente Lastverteilung durch sogenannte Smart-Grids abzufangen. Hierzu muss gezwungenermaßen eine dezentrale Technologie zum Einsatz kommen. Stellen Sie sich vor, Sie können mit Ihrem Auto nur an von ihrem Anbieter freigegeben Tankstellen tanken, da die Abwicklung zwischen den verschiedenen Anbietern nicht funktioniert oder zu hohe Gebühren erfordert.
Ebenso interessant sind aktuelle Entwicklungen im Bereich E-Commerce. Güter wie Spiele und Sammelgegenstände werden zunehmend digital gekauft und auf digitalen Handelsplätzen getauscht. Dezentrale Handelsplätze bieten viele Vorteile, da Gegenstände plattformübergreifend gehandelt und beispielsweise in mehreren Online-Spielen genutzt werden können. Zudem sorgt der dezentrale Ansatz für mehr Sicherheit und Transparenz, da durch den Einbezug mehrerer Betreiber beispielsweise die Vervielfältigung von Gegenständen mittels der Blockchain nachvollziehbar ist und über Mehrheitsabstimmungen eingeschränkt werden kann. So wird die Werterhaltung gesteigert, da Gegenstände nicht beliebig von einem zentralen Anbieter vervielfältigt werden können.
Ein letzter, eigentlich offensichtlicher Anwendungsfall ist im Bereich der Zahlungsabwicklung zu finden. Aktuelle Entwicklungen im Bereich Open Banking sorgen dafür, dass Banken ihre Schnittstellen öffnen müssen und kleineren StartUps die Chance geben, neue innovative Anwendungsfälle zu entwickeln.
Gerade die Schnittstelle zwischen traditionellen Zahlungssystemen und Blockchains ist hierbei interessant. Mithilfe der Perun Off-Chain-Technologie ist es möglich, alte mit neuen Systemen zu verknüpfen und auch Transaktionen zwischen verschiedenen Blockchains (Cross-Chain) durchzuführen. Wir denken, dass dies in Zukunft nötig sein wird, da der Umstieg auf Blockchain nicht von heute auf morgen geschehen wird und hierfür Zwischenlösungen benötigt werden.
Welche weiteren Schritte planen Sie? Auch kommerzielle Anwendungen der neuen Technologien?
Wir befinden uns aktuell in der Ausgründungsphase aus der Technische Universität Darmstadt. Unser Ziel ist es, die entwickelte Technologie einzusetzen, um Unternehmen den Zugang zur Blockchain-Technologie zu erleichtern. Wir möchten vor allem kleine und mittelständische Unternehmen dabei unterstützen, Anwendungsfälle mit der neuen Technologie nutzerfreundlich, kostengünstig und vor allem sicher umzusetzen.
(ID:47270759)