Systemhäuser und ihre „Sachverwalterpflichten“ Die juristischen Grenzen der Video-Überwachung

Redakteur: Dr. Stefan Riedl

Warum Systemhäuser und IT-Dienstleister, die IP-Kameras installieren, auch die juristischen Aspekte der Videoüberwachung auf der Agenda haben sollten, zeigt Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert auf der aktuell tourenden Axis-Roadshow auf. Statt „so ist es“ gilt hier meist „das kommt darauf an“. Der Referent vermittelte die Denke dahinter.

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IP-Überwachung kennt nicht nur optische, sondern auch juristische Grenzen.
IP-Überwachung kennt nicht nur optische, sondern auch juristische Grenzen.
(© Tiberius Gracchus - Fotolia.com)

Der französische Staatsmann Charles de Gaulle soll mal gesagt haben: „Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustande gekommen sind.“

Viele Teilnehmer der Roadshow des Netzwerk-Video-Spezialistens Axis Communications, die noch bis zum 6. Juni quer durch den deutschsprachigen Raum tourt, würden diesem Satz wahrscheinlich zustimmen. Denn neben technischen Aspekten der IP-Surveillance mit Axis-Geräten ging es auch um die komplexen juristischen Aspekte dieses Themas. Dazu lud der Hersteller mit dem Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert einen erfahrenen Juristen als Referenten ein. Dieckert vermittelte einen Überblick über die Rechtsvorschriften, die beim Thema Videoüberwachung zu beachten sind. Im Vordergrund stand die praxisnahe Frage, inwieweit diese juristischen Aspekte aus der Perspektive eines Systemhauses relevant sind.

Systemhäuser als Berater

Zwar ist im Falle einer juristischen Auseinandersetzung der Betreiber einer Videoüberwachungsanlage derjenige, der für seine Überwachungsaktivitäten haftbar gemacht werden kann. Wenn ein Systemhaus mit der Planung und Errichtung einer solchen Anlage beauftragt wird, sollte es dabei aber nicht nur technische, sondern auch rechtliche Aspekte berücksichtigen – allein schon deswegen, um sich nicht unter Umständen eines Tages dem Vorwurfs einer Falschberatung ausgesetzt zu sehen. Juristen sprechen von „Sachwalterpflichten“ für Planer und Errichter. Auch wenn von ihnen keine rechtliche Beratung verlangt werden kann, sollten sie die Rechtsgrundlagen der Videoüberwachung kennen und den Betreiber auf mögliche Risiken hinweisen – am besten beweiskräftig, also schriftlich.

Abwägungssache

Alle Aspekte, Feinheiten und Rechtsvorschriften, die in dem Vortrag für Axis-Partner zur Sprache kamen, würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Ein wichtiges Anliegen des Rechtsanwaltes war es, den Teilnehmern ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie Juristen bei solchen Fragestellungen abwägen. Die Antwort „Es kommt darauf an“ wurde in diesem Zusammenhang zu einem Running Gag.

Gewerbetreibende

Durch die Brille eines Juristen geblickt, gelten verschiedene Vorschriften, je nachdem wer überwacht – Hoheitsträger, Privatleute oder Gewerbetreibende. Besonders relevant im Systemhausumfeld sind letztere, also beispielsweise Unternehmen, Banken, Parkhäuser, Kaufhäuser oder Hotels. Diesen geht es in erster Linie um Zutrittskontrolle, Vandalismusvorsorge, Beweissicherung, Schutz vor Übergriffen oder die Erfassung von Betriebsabläufen.

Bundesdatenschutzgesetz

Hier spielen vor allem die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) eine Rolle, welches in § 6 b vorschreibt, dass die Überwachung zweckmäßig sowie erforderlich und nicht unzumutbar sein muss. Wie diese dehnbaren Begriffe ausgelegt werden, zeigte der Axis-Referent unter anderem am Beispiel eines Supermarktes.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr zum Praxisbeispiel „Supermarkt“.

Kenntlichmachung

Die Vorschrift zur Kenntlichmachung gemäß § 6 b Abs. 2 BDSG zählt in diesem Zusammenhang noch zu den einfacher gestrickten: Mit einem Hinweisschild mit Schriftzug oder einem Video-Infozeichen (gemäß DIN 33450) muss kenntlich gemacht werden, dass Unternehmen eine Videoüberwachungsanlage betreiben.

Zweckmäßigkeit

Bei der Frage der Zweckmäßigkeit, Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit beginnt das juristische Abwägen. Rechtsanwalt Dieckert vermittelte die Denke dahinter. Die geforderte Zweckmäßigkeit ist beispielsweise gegeben bei der Wahrnehmung des Hausrechts oder der Prävention vor Übergriffen auf Mitarbeiter. Sind diese Zwecke definiert und optimalerweise schriftlich festgehalten, gilt: „Die Maßnahme darf auch nur zur Erfüllung dieses Zwecks eingesetzt werden“ – beispielsweise dürfen die Aufnahmen später nicht auf einmal auch für Kundenverhaltensanalysen ausgewertet werden.

Erforderlichkeit

Ob die Maßnahme auch erforderlich ist, kann man an der Frage festmachen, ob weniger drastische Mittel denselben Zweck erfüllen (wie Aufsichtspersonal). Wie das Amtsgericht Hamburg aber im Jahr 2008 entschieden hat, sind Videos als Beweismittel in der Regel besser geeignet als Zeugenaussagen beispielsweise eines Wachmannes.

Außerdem muss sich der Betreiber fragen, ob eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung nötig ist, oder ob es beispielsweise reichen würde, nur nachts zu filmen, wenn es um die Aufklärung möglicher Einbrüche geht.

Verhältnismäßigkeit

Hier geht es um Abwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen (Persönlichkeitsrecht) einerseits und den anzuerkennenden Zwecken des Betreibers andererseits, so der Jurist. Schutzwürdige Interessen überwiegen dabei in der Regel, wenn in Räumlichkeiten soziale Interaktion stattfindet. Deswegen sollten in Cafés die Gasträumlichkeiten nicht überwacht, jedenfalls aber ausgepixelt werden. Wenn die Intimsphäre betroffen ist (Sanitärbereich oder Umkleidekabine), ist eine Kamera in jedem Falle unzumutbar.

Supermarkt außen

Anhand des Praxisbeispiels Supermarkt machte der Referent die trockene Materie insofern verständlicher, als er aufzeigte, zu welchen Ergebnissen die Abwägung in der Rechtspraxis geführt haben: So dürfen bei der Außenabsicherung die Kameras maximal 0,5 Meter des öffentlichen Straßenraumes erfassen. Eine Zufahrtkontrolle ist zulässig aus Gründen des Hausrechtes. Die Überwachung von Parkplätzen ist grundsätzlich zulässig, allerdings sollte durch einen Hinweis ausgeschlossen werden, dass die Überwachung Haftung für Autodiebstähle oder Ähnliches nach sich zieht.

Und bei der Erfassung einer Raucherecke ist der entsprechende Bereich zu maskieren, weil dort soziale Interaktion stattfindet.

Supermarkt innen

Was die Kameras im Innenbereich angeht, lässt sich folgendes festhalten: Eine Erfassung im Eingangsbereich ist zum Zwecke der Identifikation zulässig, auch wenn die Kamera „versteckt“ ist. Der Kunde muss vor Betreten des Marktes aber durch Schilder auf die Tatsache der Videoüberwachung hingewiesen werden. Die Erfassung der Warenregale wegen Diebstahl oder Sachbeschädigung ist zulässig. Andererseits wären Stehtische vor einer Bäckerei wegen sozialer Interaktion wieder auszupixeln.

Mitarbeiter

Und wenn es vom Zweck her um die Überwachung von Mitarbeitern geht, wird es juristisch richtig heikel. Allerspätestens hier ist sachkundiger juristischer Rat und eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nötig, um beispielsweise sachgerechte Betriebsvereinbarungen abzuschließen.

Denn Mitarbeiter können sich – anders als die nur flüchtig erfassten Kunden oder Besucher – der Überwachung durch die an ihrem Arbeitsumfeld installierten Kameras nicht entziehen. Das könnte einen unzumutbaren Überwachungsdruck auslösen.

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