Unvereinbar mit „Charta der Grundrechte“ Europäischer Gerichtshof kippt Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung

Redakteur: Susanne Ehneß

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das umstrittene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt, da es gegen europäisches Recht verstoße. Demnach ist es nicht rechtens, Telefon- und Internetverbindungsdaten von Bürgern zu Fahndungszwecken ohne Anlass zu speichern.

Anbieter zum Thema

Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Regeln zur Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht verstoßen
Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Regeln zur Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht verstoßen
(Bild: Cybrain - Fotolia.com)

Die Richter des EuGH haben heute in Luxemburg entschieden, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und gegen die darin verbrieften Rechte auf Privatleben, Datenschutz und freie Meinungsäußerung verstoße.

Die entsprechende EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 wird damit gekippt. Die Richtlinie sah vor, dass alle EU-Staaten dafür Sorge tragen müssen, dass ihre ansässigen Telekommunikationsfirmen die Verbindungsdaten ihrer Kunden speichern – auch ohne Fahndungsanlass.

Irland und Österreich hatten gegen diese Richtlinie geklagt und erhielten nun Recht. Bereits im Dezember 2013 wies ein entsprechendes Gutachten des EU-Generalanwalts Pedro Cruz Villalón in diese Richtung. Darin wurde bereits die Schwierigkeit festgestellt, „dass es sich um eine Richtlinie handelt, mit der lediglich den Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste eine Verpflichtung zur Erhebung und Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten der elektronischen Kommunikation auferlegt werden soll und keine Schutzmaßnahmen getroffen werden sollen, die für den Zugang zu den auf Vorrat gespeicherten Daten und deren Auswertung zu gelten haben. Insoweit verlässt sich die Richtlinie 2006/24, wie wir gesehen haben, grundsätzlich auf die Mitgliedstaaten“.

Der Generalanwalt hielt die Richtlinie für „unvereinbar“ mit der Charta der Grundrechte. Der EuGH folgte nun seiner Einschätzung. Nun muss die EU-Kommission ihre Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung überarbeiten.

Urteil begrüßt

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft Eco begrüßte das Urteil. „Das EuGH-Urteil bestätigt die von uns immer wieder angemerkte Unverhältnismäßigkeit einer solchen anlasslosen Datenspeicherung. Wir appellieren daher an die Bundesregierung, sich von den Plänen zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden. Der Umsetzungszwang ist entfallen. Eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und die damit verbundenen Kosten in mehrstelliger Millionenhöhe würden nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Internetunternehmen gefährden, sondern den gesamten Internet-Standort Deutschland schwächen. Die Bundesregierung setzt hier viel aufs Spiel für eine Maßnahme, deren tatsächlicher Nutzen zur Verbrechensbekämpfung, bis heute nicht nachgewiesen wurde“, kommentiert Vorstand Oliver Süme.

Schleswig-Holstein zeigte sich erleichtert darüber, dass die Richtlinie zwar für ungültig erklärt, der Weg für eine Vorratsdatenspeicherung jedoch frei bleibe. Der Europäische Gerichtshof habe Regelungen über Mindestspeicherfristen nicht von vorneherein als rechtswidrig bezeichnet. Innenminister Andreas Breitner war zufrieden, dass der Polizei der Rückgriff auf Verbindungsdaten zur Aufklärung schwerer Verbrechen nicht verbaut worden sei. „Wir kennen jetzt alle Bedingungen für eine rechtskonforme Regelung“, so Breitner. Die EU-Kommission sei nun in der Pflicht, eine neue Richtlinie vorzulegen, die nationale Gesetzgebung müsse darauf warten. „Brüssel muss den Anfang machen“, stellt Breitner fest.

Auswirkung auf Deutschland

Die Entscheidung des EuGH wird nun vom Bundesinnnenministerium geprüft. „Selbstverständlich müssen wir zunächst das Urteil auswerten, die Vorgaben des EuGH sorgfältig analysieren und die Konsequenzen gemeinsam mit unserem Koalitionspartner diskutieren. Auch wenn die Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entscheidung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich zulässig ist“, kommentiert Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Die Vorratsdatenspeicherung werde zur Aufklärung schwere Straftaten dringend benötigt. „Neben der Innenministerkonferenz hat jüngst auch der Deutsche Richterbund die Maßnahme der Vorratsdatenspeicherung als unerlässliches Instrument gegen die Verbrechensbekämpfung bezeichnet“, so der Innenminister.

(ID:42629732)