Verschlüsselung von Kommunikation, Daten, Dokumenten und Source-Codes im Rechenzentrum Fabasoft fordert „United Clouds of Europe“ gegen Datenspionage
Für den Fabasoft-Vorstand Helmut Fallmann ist Kryptographie gegen Geheimdienst-Zugriffe auf Daten in der Cloud kein Kampf gegen Windmühlen. Im Interview fordert der Informatiker eine europäische Cloud-Initiative um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen.
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Das Image vor allem US-amerikanischer Cloud-Provider ist nach den Enthüllungen des Whistle-Blowers Edward Snowden angekratzt. Die Information Technology & Innovation Foundation (ITIF) befürchtet durch den Internetspionage-Skandal für die US-Cloud-Anbieter mögliche Einbußen zwischen 22 bis 35 Milliarden US-Dollar innerhalb der nächsten drei Jahre. Die Schätzungen basieren auf der Annahme, dass US-Cloud-Anbieter zwischen zehn und 20 Prozent ihres internationalen Marktanteils verlieren könnten. Rechnen Sie auch mit einer starken Reaktion des Marktes?
Fallmann: Das gesamte Ausmaß dieses Internetspionage-Skandals ist aus meiner Sicht noch gar nicht erkennbar. Die Reaktion des Marktes wird wohl noch deutlich stärker ausfallen. Wir wollen ein selbstbewusstes Europa mit einer starken, unabhängigen IT-Wirtschaft. Wir müssen Abhängigkeiten reduzieren und Versorgungssicherheit für Informationstechnologie in Europa aufbauen. Gewinner dieser Entwicklung sind mit Sicherheit die Anbieter von Cloud-Diensten europäischer Prägung.
Auf einer Fabasoft-Website steht zu lesen „Ziel der europäischen IT-Industrie sollte die Forderung nach United Clouds of Europe sein. Nur so kann der Wirtschaftsstandort Europa für die dort ansässigen Unternehmen und die heimische IT-Industrie nachhaltig zu einem Erfolg werden.“ Wie stellen Sie sich eine europäische Lösung vor?
Fallmann: Eine europäische Cloud-Lösung erfüllt vier Grund-Tugenden: Datensicherheit, Zugriffssicherheit, Rechtssicherheit und Qualitätssicherheit. Viviane Reding, Vizepräsidentin der EU und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, betont beispielsweise in einem Artikel für die New York Times, wie wichtig ein starkes Europäisches Datenschutzrecht ist, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Wir brauchen Rechtssicherheit mit klaren Standardverträgen und eindeutigen Vertragspartnern. Zertifizierbare Mindestqualitätsstandards und garantierte Service-Levels garantieren uns hochwertige Lösungen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Welt der Schlapphüte von außen betrachtet keine klaren Konturen aufweist. Die Unsicherheitsfaktoren sind groß. Immerhin wissen wir, dass einige ausländische Geheimdienste einen gesetzlichen Auftrag zur Wirtschaftsspionage haben. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, sieht hingegen keinerlei Bedrohung deutscher Unternehmen durch westliche Geheimdienste. Für ihn kommen die Bedrohungen eher aus dem Osten, war dem Handelsblatt zu entnehmen. Wie sehen Sie die Lage?
Fallmann: Ich sehe das anders. Jede Form von Spionage ist auch eine Bedrohung für europäische Innovation und Wertschöpfung. Ich finde es besonders bemerkenswert, dass die uneingeschränkte Weitergabe von Daten aus Europa in die USA keinen erkennbaren Nutzen für Europa nach sich zieht.
Michaela Merz, IT-Sicherheitsexpertin des Bundesverbandes IT-Mittelstand e.V. (BITMi) fand in der Spähaffäre klare Worte. Sie sagte ´Deutschland ist besonders anfällig für solche Spionageaktionen. Unsere Wirtschaft ist sehr stark von ausländischen Technologien abhängig und wir wissen nicht, ob und welche Hintertüren noch in häufig benutzten Soft- und Hardware-Produkten eingebaut sind´. Ist Datensicherheit vor diesem Hintergrund nicht mehr als nur eine Frage des Standortes der Rechenzentren, wie sie ihre europäische Lösung in den Vordergrund rückt?
Fallmann: Ja, natürlich ist es mehr als eine Frage des Standortes der Rechenzentren. Wir brauchen Informationstechnologie „Made in Europe“. Das bedeutet Software, die von europäischen Unternehmen produziert wird. Rechenzentren, die von europäischen Unternehmen betrieben werden. Garantierte Datenspeicherung in Europa. Hundertprozentige europäische Wertschöpfung.
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Zu den jüngsten Enthüllungen zählt, dass der USA-Geheimdienst NSA offenbar auch SSL-Verschlüsselungen knacken kann (Codename Bullrun). Ist der ganze kryptografische Kampf gegen Geheimdienste nicht ein Kampf gegen Windmühlen?
Fallmann: Nein, das sehe ich nicht so. Es ist eine Frage der Risikominimierung. Wir haben den gesamten Source Code unserer Cloud-Dienste im Haus. Wir sind nicht abhängig von Cloud-Diensten anderer (insbesondere amerikanischer) Hersteller. Wir haben keine Hintertüren für Geheimdienste eingebaut. Wir verschlüsseln nicht nur die Kommunikation (SSL), sondern auch die Dokumente und Daten in den Rechenzentren. Wir objektivieren Sicherheit und Zuverlässigkeit durch Zertifizierungen und Prüfungen über unabhängige Auditoren (ISO 27001, ISO 20000, ISAE 3402). Und wir geben unseren Kunden die Möglichkeit, unsere Cloud-Dienste im Rahmen von Kunden-Audits nach eigenem Ermessen zu prüfen.
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