Datenrettung von SSD-Speichern Performance auf Kosten der Sicherheit?
Solid State Disks (SSDs) sind längst nicht mehr nur eine Domäne tragbarer Endgeräte, wie Tablets, Laptops oder Ultrabooks. Die schnellen Speicher werden heute fast ebenso häufig in klassischen PCs, in Servern und in SAN- oder NAS-Systemen eingesetzt. Mit der wachsenden Verbreitung nimmt die Anzahl der Datenrettungsanfragen zu. Dabei stellen die Flash-Laufwerke die Datenretter vor ganz besondere Herausforderungen.
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Eine Studie des Marktforschungsunternehmens IDC von 2013 zeigt, dass SSD und sonstige Flash-basierte Speichermedien immer stärker in Unternehmen zum Einsatz kommen. So wird bis 2015 der Anteil der SSD-Speicher an der Speicherkapazität in Unternehmen um voraussichtlich 43 Prozent wachsen.
Das ist jedoch durchaus mit Vorsicht zu betrachten, da die Erfahrungen aus den Datenrettungslaboren von Kroll Ontrack gezeigt haben, dass die schnellen Chip-basierten Massenspeicher genauso anfällig für Datenverluste sind wie die klassischen HDD-Festplatten. Bei diesen haben die Datenrettungsexperten allerdings einen Erfahrungsvorsprung von mehreren Jahrzehnten, sodass eine Datenrettung hier deutlich höhere Erfolgsaussichten hat als bei den noch jungen SSD-Laufwerken. Dabei stellen vor allem die deutlich komplexere Hardware-Architektur und die fehlenden Standards die größten Herausforderungen dar.
Kontrollverlust im Speicher
Hauptursache für Datenverluste bei SSD-Speichern sind Ausfälle der Controller. Das lässt sich in den meisten Fällen auf die nach einer gewissen Anwendungsdauer fast immer vorkommende Abnutzung der einzelnen Speicherzellen zurückführen. Denn der Controller, der für die Verwaltung dieser Speicherzellen zuständig ist, benötigt immer eine gewisse Menge freien Speichers, um seine Arbeit zu erfüllen. Liegen nun bei einer SSD defekte Speicherzellen vor und wird der freie Speicher aufgrund dessen zu klein, kann es schnell zu Problemen kommen.
Ist tatsächlich der Controller defekt, kann das für die Datenwiederherstellung eine große Hürde darstellen. Denn aufgrund bisher noch fehlender Standards sind die Datenretter darauf angewiesen, dass die einzelnen Hersteller mit ihnen zusammenarbeiten. Ist das nicht der Fall, wird eine Wiederherstellung deutlich komplexer. Dann müssen die Flashspeicher diskret ausgelesen werden und die Arbeit des Controllers quasi simuliert werden, um die ausgelesen Daten auswerten zu können.
Handelt es sich allerdings um ein sogenanntes „Self-Encrypting Device“, also ein SSD-Laufwerk, bei dem die Rohdaten bereits beim Schreiben auf den Flashspeicher durch den Controller verschlüsselt werden, ist die Datenrettung ohne Unterstützung des Herstellers unmöglich. Denn solche Laufwerke können nur mit den jeweiligen Schlüsseln ausgelesen werden.
Das doppelte Dateichen
Die bereits erwähnte Abnutzung der Speicherzellen ist aber noch in einem anderen Bereich kritisch. Denn der Aufbau von SSD-Speichern, der sehr stark an klassische RAID-Systeme erinnert, sorgt in Verbindung mit dem sogenannten „Wear Leveling“ – also der gleichmäßigen Speichernutzung über alle Sektoren – für eine stark fragmentierte Datenstruktur. In dieser sind einzelne Datenbestandteile auf unterschiedliche Speicherzellen verteilt, in den meisten Fällen sogar noch in Form von Duplikaten.
So wird bei jeder noch so kleinen Änderung einer Datei – etwa eines Textdokumentes – die Datei jeweils auf neuen Speicherzellen gespeichert. Das alte Dokument bleibt bestehen, bis die Speicherzellen vom Controller wieder genutzt werden. Hierdurch entstehen viele Datei-Doppel. Im Falle einer Datenwiederherstellung können so gegebenenfalls viele Dateivarianten gefunden werden und der Kunde muss letztlich prüfen, welche Variante seine aktuelle Version darstellt.
Verloren ohne passendes Werkzeug
Unabhängig von der Art des Defektes ist der Aufwand einer Datenrettung von SSD-Massenspeichern deutlich höher als bei klassischen HDD-Festplatten. Der Grund dafür liegt in der bislang noch starken Fragmentierung des Marktes. Während sich die Anzahl der HDD-Herstellern in den letzten Jahrzehnten immer stärker verkleinert und nun bei einer knappen Handvoll Unternehmen eingependelt hat, gibt es bei SSDs derzeit noch zahlreiche unterschiedliche Hersteller, die fast alle auf ebenso unterschiedliche Standards und Konfigurationen setzen.
Datenretter müssen also quasi für jede einzelne SSD-Festplatte einen eigenen, proprietären Werkzeugsatz aus Soft- und/oder Hardware entwickeln. Das sorgt nicht nur für längere Wiederherstellungszeiten, auch die Kosten für eine Datenrettung sind im Vergleich zu HDD-Laufwerken höher.
Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass SSDs im Vergleich zu klassischen, magnetbasierten Festplatten eine noch sehr junge Technologie sind. Daher kann man davon ausgehen, dass sich bereits in naher Zukunft die ersten einheitlichen Standards ausbilden und die Qualität und Lebensdauer der Flash-basierten Laufwerke deutlich steigen werden. Der weiteren Verbreitung von SSD-Speichern steht also nichts im Weg.
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