„Digitalisierungsindex Mittelstand“ zeigt Defizite und Chancen auf Telekom sieht Zukunft als agile(r) Mittelständler

Autor / Redakteur: Lothar Lochmaier / Dipl.-Ing. (FH) Andreas Donner |

Der digitale Wandel fordert die Betriebe unabhängig von ihrer Größenordnung heraus. Was das konkret bedeutet, zeigt eine aktuelle Studie, die die Telekom gestern in Berlin vorstellte.

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Wie der Mittelstand sich vor dem Hintergrund der Digitalissierung positioniert, darüber gibt die repräsentative Telekom-Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand“ Auskunft.
Wie der Mittelstand sich vor dem Hintergrund der Digitalissierung positioniert, darüber gibt die repräsentative Telekom-Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand“ Auskunft.
(Bild: © Robert Kneschke / Fotolia.com)

Die deutsche Industrie befindet sich auf anhaltendem Erfolgskurs. Angetrieben wird diese Entwicklung von mittelständisch geprägten Unternehmen, die sich hierzulande auch als stabiler Jobmotor erweisen. Warum also sollten sich erfolgsverwöhnte deutsche Vorstände gerade jetzt intensiver mit der Digitalisierung beschäftigen?

Bekanntlich ist das Bessere immer der Feind des Guten, wie sich an der wechselvollen Geschichte des früher so erfolgreichen Mobilfunkunternehmens Nokia ablesen lässt. Dass sich derartige Erfolgsgeschichten eben nicht automatisch in die Zukunft verlagern, das wissen auch deutsche Player wie die Telekom. Der Telekommunikationskonzern gab sich anlässlich der Vorstellung einer neuen Studie in Berlin ungewohnt selbstkritisch. Man habe einige innovative Entwicklungen wie jene von WhatsApp verschlafen, weil man sich zu sehr in gewohnten Denkrastern bewegt habe.

Das neue Credo

Das neue Credo: Wer sich als Unternehmenslenker lediglich auf den Lorbeeren aus der Vergangenheit ausruht, den bestraft früher oder später das Leben mit Wettbewerbsnachteilen. Der Wandel in Richtung digitaler Geschäftsmodelle erfordert somit neue berufliche Fähigkeiten – nicht nur, um mit der technischen Entwicklung der Transformation Schritt zu halten, sondern auch, um gegenüber neu aufkommenden Wettbewerbern nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Wie der Mittelstand sich im Spannungsfeld dieser digitalen Wachstumsagenda zu positionieren gedenkt, darüber erteilt die aktuelle repräsentative Telekom-Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand“ Auskunft, die in Zusammenarbeit mit dem Analystenhaus Techconsult erstellt wurde. Befragt worden sind darin mehr als 1.000 kleine und mittelständische Unternehmen aller Branchen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass der Mittelstand mit der Digitalisierung schon deutlich weiter ist als vielfach angenommen wird“, betont Hagen Rickmann, Geschäftsführer Geschäftskunden der Telekom Deutschland. Als zentrales Erfolgsrezept für die mittelständischen Unternehmen hat Rickmann die hohe Bereitschaft der Firmenchefs ausgemacht, neue Herausforderungen anzunehmen und sich diesen flexibel anzupassen. „Die Geschwindigkeit hat deutlich zugenommen, wenn etwa das Unternehmen über Big Data mit dem Tischlermeister redet.“

Mehr Kundennähe und ein besseres Produkterlebnis gelobt aber auch der Konzern selbst. Etwa demonstrativ durch eine intensive Partnerschaft mit der Klitschko Management Group. Ziel: die Telekom stärker am bodenständigen Puls der mittelständischen Wirtschaft und Industrie zu verorten.

Als Markenbotschafter und Werbeträger setzt das Unternehmen in diesem Kontext auf den früheren Boxweltmeister Dr. Wladimir Klitschko, der neben einem Studiengang an der Universität St. Gallen das von ihm entwickelte methodische Rüstzeug zum „Challenge Management“ in die Partnerschaft einsteuert. Siehe dazu auch den Kommentar: Was den digitalen Wandel [fast] mit einem Boxkampf verbindet im Kasten zu diesem Beitrag.

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Kommentar: Was den digitalen Wandel [fast] mit einem Boxkampf verbindet

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich mitten in einem Fight zweier großartiger Boxchampions. Die ersten zehn Runden haben sie sich wacker geschlagen. Ihre Taktik und Marschroute ist aufgegangen. Sie haben den Wettbewerber um die Siegtrophäe in Schach gehalten, durch eine kontrollierte Offensive.

Sie liegen in der elften Runde klar vorn nach Punkten, der Sieg scheint greifbar nahe. Dann passiert das Unerwartete. Der Gegner ändert seine Taktik, er wendet plötzlich eine unkonventionelle Methode an, ein ums andere Mal bricht er mit neuen Finten ihre Deckung auf und erwischt Sie auf dem falschen Fuß. Der Vorsprung schmilzt, der Kampf droht zu kippen, ihre Füße wackeln und die Arme werden plötzlich schwer.

So, oder im übertragenen Sinne, so ähnlich könnte es dem einen oder anderen bis dato Erfolgs verwöhnten Mittelständler gehen, falls er sich angesichts seiner bisher so erfolgreichen Marktperformance zu sicher in seinem Revier wähnt. Denn die Digitalisierung stellt ganze Branchen auf den Kopf – und erweist sich als reichlich unwägbare Größenordnung, die rasch Neues empor bringt und alt gewohnte Sicherheiten über Bord wirft.

Im übertragenen Sinne bedeutet dies aber auch: Auch wer als Mittelständler in der IT seine Hausaufgaben im Backend ordentlich erledigt, der besitzt noch keine Erfolgsgarantie. Denn am „Frontend“ hat sich die digitale Welt durch den Einzug von Social Media deutlich verändert. Der Kunde hat nun in Echtzeit via Facebook und Twitter eine Stimme – und nimmt diese auch durch kritische Kommentare wahr.

Ein Shitstorm in der elften Runde eines Boxkampfes kann jedem Unternehmen drohen. Selbst, wenn die eigenen Produkte sehr ausgereift scheinen. Oder es kommt zum Brain drain, zur Betriebsspionage eines Wettbewerbers, etwa über Social Engineering oder via Hackerattacke, die das fein gesponnene innere Netzwerk des Unternehmens zu erschüttern droht.

Das Beispiel Samsung und einem Feuer fangenden Mobilfunktelefon Galaxy Note 7 hat aufgezeigt, welche Imageschäden über Nacht auftreten, wenn plötzlich ein Glied in der Produktionskette radikal versagt.

Was der frühere Boxweltmeister Wladimir Klitschko anhand seiner „Challenge Methode“ in diesem Fall wohl raten würde? Einfach wegducken, den Gegner ins Leere laufen lassen, bis er sich verausgabt? Oder sofort und hektisch reagieren, in die Offensive gehen? Selbst auf die Gefahr hin, das Falsche zu tun?

In der alltäglichen Praxis fallen solche Antwort kaum einsilbig aus. Eine gewisse Angst vor der Digitalisierung sei völlig angemessen, bestätigt auch Wladimir Klitschko. Aber man solle vor der Herausforderung nicht weglaufen, oder wie ein angezählter Boxer passiv im Ring stehen. Sondern den Schritt nach vorne machen und den Wettbewerb produktiv annehmen und gestalten. Getreu dem boxerischen Motto von Klitschko: Ich bin die bewegende Kraft.

Sicherlich, zum digitalen Wandel dürfte es keine Patentrezepte geben, weiß auch der frühere Boxweltmeister. Im wirtschaftlichen Leben tummeln sich eben noch deutlich mehr als zwei Beteiligte im Boxring. Umso mehr gefragt bei den Mittelständlern ist deshalb eine individuell kreative Taktik und Marschroute, statt einem fertigen Masterplan, den man einfach über die Realität drüberstülpt.

Wie geht es nun weiter? Der Kampf zwischen zwei gleichwertigen Champions bleibt auch in der zwölften Runde spannend. Es ist das Gebot der Stunde, diese konzeptionelle Offenheit im übertragenen Sinne bei der Gestaltung des digitalen Wandels zu akzeptieren. Wer als Firmenlenker nicht panisch am Kontrollzwang aus der analogen Welt festhält, der hat auch in diesem Ring gute Karten auf den Lorbeerkranz des Champions.

Lothar Lochmaier

Die Dynamik des Wandels unterstreiche die frühzeitige Automatisierung der vom Mittelstand geprägten produzierenden Industrie, so die Telekom. Gerade sie gilt als die Leitbranche in der Digitalisierung, während andere Branchen hierzulande, wie der Handel und Bau, beim digitalen Umbau noch deutlich zurückblieben. Auch die Globalisierung hätten die meisten Unternehmen bislang erfolgreich gemeistert, so Rickmann weiter. Für die Erfolgreichen stelle der Bruch mit der analogen Welt somit lediglich eine – wenn auch mit hoher Geschwindigkeit ablaufende – weitere Etappe der Veränderung dar.

Unterschiedlicher Reifegrad

Die Studienergebnisse im Detail: Zwar ergibt sich je nach Branche und Unternehmensgröße ein unterschiedliches Umsetzungstempo, doch fast drei Viertel (72 Prozent) der befragten Unternehmen bewerten die Digitalisierung als bedeutend für ihre Firma und Branche. Nahezu die Hälfte (46 Prozent) realisieren bereits einzelne Transformationsprojekte, 27 Prozent haben eine übergreifende Digitalisierungsstrategie. Den mittelständischen Unternehmen sind die Vorteile bekannt: 53 Prozent versprechen sich mehr Innovationskraft, 54 Prozent wollen sich neue Kunden und Märkte erschließen.

Die Studie zeigt aber auch, dass es noch diverse Barrieren und Hemmnisse gibt. So befürchten 41 Prozent der Befragten hohe Investitionskosten; 36 Prozent sorgen sich wegen zusätzlicher IT-Sicherheitsrisiken. „Schon das Thema Investitionskosten macht Entscheidungen rund um die Digitalisierung zur Chefsache. Zudem wird der Geschäftserfolg künftig immer stärker mit dem Umsetzungsgrad korrelieren. Daher müssen Geschäftsführer die Treiber sein“, betont Rickmann.

So zeigt sich im Index bei den Top-Digitalisierern schon jetzt ein deutlicher Zusammenhang zwischen Transformation und Profitabilität. In 63 Prozent der befragten Betriebe ist die Digitalisierung Chefsache, als starker Treiber agiert – vor allem in größeren Unternehmen – zudem die IT-Abteilung (44 Prozent). Marketing und Vertrieb werden von jeweils 15 Prozent der Befragten genannt.

Kunde steht im Mittelpunkt

Mit der digitalen Transformation wollen die Unternehmen laut der Studie in erster Linie die Kundenbeziehung verbessern (51 Punkte), die Produktivität steigern (49 Punkte) und Absatz und Service optimieren. Mit neuen digitalen Angeboten und Geschäftsmodellen können sich mittelständische Unternehmen zusätzliche Märkte und Kunden erschließen (46 Punkte).

Der Index zeigt auch: Viele Unternehmen legen einen Fokus auf das Thema IT-Sicherheit und Datenschutz und erreichen hier im Mittel 63 Punkte. Rickmann: „Dieses Sicherheitsbewusstsein sollte der Mittelstand zu seinem Gütesiegel entwickeln, um damit ‚Qualität made in Germany‘ weiter aufzuwerten.“

Lesetipp: Kostenlose Selbstanalyse für Unternehmen

Der Gesamtstudienbericht sowie die Branchenteilberichte stehen auf der Telekom-Website Digitalisierungsindex zum Download bereit. Zudem können Unternehmen dort mit einem kostenlosen Online-Self-Check in wenigen Minuten ihren persönlichen digitalen Status quo ermitteln. Der Self-Check erlaubt zudem den Wettbewerbsvergleich mit Unternehmen derselben Größe und Branche.

Über den Autor

Lothar Lochmaier ist freier Fach- und Wirtschaftsjournalist in Berlin.

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