Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung Videoüberwachung nach DSGVO / GDPR

Autor / Redakteur: Dipl.-Phys. Oliver Schonschek / Peter Schmitz

Die Anwendung des neuen Datenschutzrechts auf Datenschutz-Klassiker wie die Videoüberwachung fällt Unternehmen schwer. Orientierungshilfen der Aufsichtsbehörden und neue Gerichtsurteile zeigen den Weg, der Blick in das deutsche Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-neu) jedoch nicht. Unternehmen sollten sich hier nicht verwirren lassen, sonst kann es zu Fehlern im Datenschutz kommen.

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Die Videoüberwachung bleibt weiterhin ein Brennpunkt beim Thema Datenschutz.
Die Videoüberwachung bleibt weiterhin ein Brennpunkt beim Thema Datenschutz.
(© nirutft - stock.adobe.com)

Auf weiterhin sehr hohem Niveau liegt die Anzahl der Petitionen zur Videoüberwachung. so der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern in seinem 14. Tätigkeitsbericht, der im Mai 2019 veröffentlicht wurde. Oft werde nicht bedacht, dass eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Daran habe sich mit der DSGVO nicht viel geändert.

Ein berechtigtes Interesse an Videoüberwachung kann grundsätzlich angenommen werden, wenn der Zweck im Schutz vor Einbrüchen, Vandalismus oder Diebstählen besteht, sofern eine tatsächliche Gefahrenlage nachgewiesen wurde. Bei Webcams gilt es sogar noch mehr zu beachten: Webcams, die Live-Aufnahmen ins Internet übertragen, werden immer häufiger eingesetzt, so der Landesdatenschutzbeauftragte. Die Aufnahmen dieser Kameras sind einer unbestimmten Zahl von Personen weltweit zugänglich. Sie sind daher nur dann zulässig, wenn auf den Bildern keine Personen identifizierbar sind.

Videoüberwachung durch Unternehmen

Wenn ein Unternehmen nach den Vorgaben zur Videoüberwachung sucht, hilft scheinbar die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO / GDPR) nicht weiter. Man findet dort keine spezifischen Regeln, wie man sie aus dem alten Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-alt) kannte. Doch zur Freude vieler Unternehmen findet sich im neuen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-neu) doch wieder ein Paragraph zur „Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume“ (§ 4 BDSG-neu).

Unter anderem steht dort: Bei der Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs gilt der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personen als ein besonders wichtiges Interesse.

Sprich: Die Interessenabwägung, die vor dem Einsatz der Videoüberwachung durchzuführen ist, wird in diesen Fällen eher dazu führen, dass die Videoüberwachung erlaubt ist.

Nun muss man aber aufpassen, wann die Interessenabwägung zum Beispiel zur Wahrung des Hausrechts zum Ergebnis kommen kann, dass eine Videoüberwachung zulässig ist, ja mehr noch, man muss zuerst einmal prüfen, ob überhaupt die Vorgaben des BDSG-neu Anwendung finden dürfen.

Videoüberwachung von privaten Stellen nur nach DSGVO

In den letzten Monaten wurde gemeldet, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zur Anwendung der Vorgaben aus dem BDSG-neu für die Videoüberwachung durch private Stellen geäußert hat (https://www.bverwg.de/270319U6C2.18.0). Das Bundesverwaltungsgericht hatte deutlich gemacht, dass die Videoüberwachung durch private Stellen ausschließlich am europäischen Datenschutzrecht zu messen ist.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts regelt die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die Videoüberwachung durch Private abschließend. Folglich ist die nationale Bestimmung in § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG europarechtswidrig und im Ergebnis unanwendbar. Private Videokameras können daher im Ergebnis nur auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO betrieben werden. Die danach zu erfolgende Güterabwägung ist nicht durch nationales Recht modifizierbar.

Johannes Caspar, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, erklärte hierzu: „Das Vorhaben, mit dem Video­überwachungs­verbesserungs­gesetz privat betriebene Videoüberwachung an öffentlichen Orten durch den Zweck der Terrorabwehr und die öffentliche Sicherheit zu legitimieren, wurde anlässlich des damaligen Gesetzgebungsprozesses aus datenschutzrechtlichen, verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Gründen kritisiert. Das wurde nun im Ergebnis durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Die Aufgabe der Videoüberwachung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit kann nicht auf private Betreiber übertragen werden, sondern bleibt eine Aufgabe der zur Ausübung öffentlicher Gewalt befugten staatlichen Behörden.“

Videoüberwachung erneut überprüfen

„Auch in Zukunft können nach Maßgabe der Europäischen Datenschutzgrundverordnung private Betreiber die Schutzinteressen von dritten Personen bei der Datenverarbeitung berücksichtigen – allerdings nicht im Rahmen einer nationalen Vorrang- und Verstärkerklausel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit durch private Videoüberwachungsanlagen“, so der Hamburgische Datenschutzbeauftragte weiter.

Nach DSGVO sind die berechtigten Interessen des Kamerabetreibers oder eines Dritten mit dem Interesse bzw. den Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Personen miteinander abzuwägen. Zudem müssen die einzelnen Videokameras für die Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen auch erforderlich sein.

Dr. Lutz Hasse, Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz, kommentierte: „Bis zu dem jetzigen Urteil wurde heftig über die Anwendbarkeit des § 4 BDSG-neu diskutiert. Daher ist das Urteil sehr begrüßenswert. Es schafft nunmehr Rechtsklarheit auf nationaler Ebene im Bereich der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Videoüberwachungen durch Private.“

Wenn ein Unternehmen also seine Videoüberwachung gegenwärtig auf die Vorgaben des neuen Bundesdatenschutzgesetzes stützt, sollte die Interessenabwägung nochmals auf Basis der DSGVO wiederholt werden, um wirklich die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Videoüberwachung zu erfüllen.

Aufsichtsbehörden geben Orientierung

In den letzten Monaten haben die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz eine Reihe von Orientierungshilfen veröffentlicht, die in aller Regel bei der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde im Informationsbereich zu finden sind. Solche Orientierungshilfen sind wichtige Hilfsmittel bei der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung.

Zum Thema Videoüberwachung zu nennen wären insbesondere die Orientierungshilfen:

  • Positionspapier zur Nutzung von Kameradrohnen durch nicht-öffentliche Stellen
  • Positionspapier zur Unzulässigkeit von Videoüberwachung aus Fahrzeugen (sog. Dashcams)
  • Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörden zu dem Einsatz von Bodycams durch private Sicherheitsunternehmen

Grundsätzlich muss man bei der Prüfung einer geplanten Videoüberwachung folgendes beachten:

Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen muss zunächst die „Generalklausel“ in Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO beachtet werden. Danach ist die Verarbeitung rechtmäßig, soweit sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Soll eine Videoüberwachung auf eine Einwilligung im Sinne des Artikels 7 DSGVO gestützt werden, dürften die Voraussetzungen dieser Vorschrift allerdings nur in seltenen Einzelfällen erfüllt sein, so die Aufsichtsbehörden. Insbesondere ist das Betreten des gekennzeichneten Erfassungsbereichs einer Videokamera nicht als „eindeutig bestätigende Handlung“ und auch nicht als informierte Einwilligung nach Artikel 4 Nr. 11 DSGVO zu werten.

Zudem muss die Videoüberwachung auch wirklich erforderlich sein zur Wahrung des geplanten Zweckes und der Interessen des Unternehmens als verantwortliche Stelle. Ebenso muss an die Hinweisbeschilderung, die Begrenzung der Speicherdauer, die Datensicherheit und die Prüfung, ob eine Datenschutzfolgenabschätzung für die Videoüberwachung gemacht werden muss, gedacht werden.

Es zeigt sich: Videoüberwachung bleibt ein Brennpunkt im Datenschutz, die Umsetzung der DSGVO dabei ist zwingend und durchaus anspruchsvoll. Aber die Aufsichtsbehörden haben entsprechend auch viele Informationen dazu veröffentlicht. Hilfreich sind dabei auch die Muster für ein Hinweisschild zur Videoüberwachung nach Datenschutz-Grundverordnung sowie ein Muster für ein Informationsblatt zur Videoüberwachung.

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