Grundlagen moderner Netzwerktechnologien im Überblick – Teil 103

VoIP als Teil einer Gesamt-Kommunikations-Konzeption

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Vernetzung mehrerer PBXn

Hat man in einer großen Organisation mehrere PBXn, müssen diese zusammengeschaltet werden. Auch hierfür benutzen die Hersteller meist proprietäre Systeme. Realisiert man die Vernetzung von PBX-Teilen über ein offenes Netz, so muss man sich Gedanken über die notwendige Bandbreite, die Entfernung, die Weitergabe der Signalisierung und schließlich über die Redundanz machen Die Unterstützung eines zentralen Telefonverzeichnisses ist notwendig.

Um diese ganzen Funktionen umzusetzen, bedarf es einer Vielzahl von Steuersignalen neben der eigentlichen Sprachübertragung. Diese Steuersignale werden zusammen mit den dahinter liegenden Prozeduren als Signalisierung bezeichnet. Die Signalisierung war in der Vergangenheit stark herstellerspezifisch, lediglich die allernötigsten Grundfunktionen zum reinen Telefonieren sind standardisiert.

Allerdings kommt hier mittlerweile Bewegung rein und auch höherwertige Funktionen unterliegen Normungs-Aktivitäten. IP-Telefonie-Hersteller wie Cisco Systems verlangen komplett offene und genormte Lösungen. Das ist nicht weiter überraschend, weil man sonst natürlich auch in Zukunft Probleme mit der Kommunikation zu anderen Anlagen haben wird bzw. viele Sonderfälle berücksichtigen muss, was enorm hohe Entwicklungskosten nach sich zieht.

CCITT/ITU Standard H.323, SIP, SGCP und MGCP

Im Zentrum des Interesses steht hier der CCITT/ITU Standard H.323. Weitere Aktivitäten sind SIP als Vereinfachung von H.323, sowie SGCP und MGCP der IETF, vorgebracht von Cisco und Bellcore.

H.323 wird zwar meist als Standard für das Video-Conferencing angesehen, aber in Wahrheit ist es ein allgemeiner Standard für die bidirektionale Echtzeitkommunikation von LAN-Endgeräten. Die Sprache ist dabei funktionaler Mindestumfang, Daten und Video sind optional. In einer Implementierung sind die H.245-Unterstützung für das Aushandeln von Kanalumfang und Nutzungsmerkmalen, Q.931 für Signalisierung und Verbindungsaufbau, RAS (Registration/Admission/Status) als Kommunikation mit einem Gatekeeper und die Unterstützung von RTP/RTCP (Rapid Transfer Protocol, Rapid Transfer Control Protocol) mindestens erforderlich. Optional können Video-Codecs und weitere Protokolle eingesetzt werden. Ein wichtiges Element ist der sog. Gatekeeper, der innerhalb einer sog. H.323-Zone die Zuordnung symbolischer LAN-Namen für Terminals und Gateways zu IP- bzw. IPX-Adressen sowie das Bandbreitenmanagement, mit dem die maximale Anzahl von Verbindungen über ein LAN kontrolliert werden kann, vornimmt.

Der Gatekeeper kann in verschiedener Art und Weise realisiert sein, z.B. in einem Endgerät oder in einem Gateway. Der Aufbau einer logischen Verbindung ist insgesamt relativ komplex.

Dennoch gibt es einen Standard, der aus purer Notwendigkeit entstanden ist: QSIC. Er klärt die Zusammenschaltung normaler PBX-Anlagen mit IP-Lösungen zu einem Anlagenverbund. QSIC enthält eine Unmenge teilweise sehr alter Teilstandards und ist noch vollständig nach dem ISO-OSI-Modell strukturiert. Einen Durchbruch hinsichtlich der Standardisierung hat das SIP-Protokoll (Session Initialization Procedure) erzielt.

Verschiedene Hersteller bieten heute schon IP-basierte Nebenstellenanlagen an. Die Implementierung der grundsätzlichen Funktionen in der Anlage ist aber eigentlich nicht die primäre Frage, sondern problematisch sind vor allem die Anforderungen an das IP-Netz selbst.

Kommen wir zunächst zur Verzögerung. Delay gibt es nicht nur, wie viele zunächst denken, im Netz, sondern natürlich auch in den peripheren Einrichtungen (IP-Telefone) und den Vermittlungseinrichtungen. Es gibt feste und variable Verzögerungen. Codierung und Paketbildung können z.B. 25 ms feste Verzögerung nach sich ziehen. Jede Art von Vermittlungseinrichtung arbeitet mit Schaltverzögerung.

Das Netz selbst kann Verzögerungen im Bereich einiger Dutzend ms beinhalten, dabei gibt es einen festen Anteil, der immer zu berücksichtigen ist, und vorwiegend von der zu durchlaufenden Entfernung abhängt und einen variablen Anteil, der z.B. von der Gesamtlast des Netzes abhängt. Dies kann sich z.B. im Bereich von 20 – 100 ms abspielen. Wir haben eingangs davon gesprochen, dass ankommende Datenpakete zwischengepuffert werden müssen, um die unterschiedlichen Abstände zwischen ihnen auszugleichen. Auch dieser Vorgang zieht eine Verzögerung in der Größenordnung einiger Dutzend ms, sagen wir 30 – 80 ms, nach sich. In diesem Beispiel liegt das Delay also insgesamt zwischen 80 und 210 ms.

Die Frage ist nun: Wie hoch darf das Delay sein, um eine Lösung zu erhalten, die wirklich als Business-Ready bezeichnet werden kann? Dies ist Gegenstand aufwendiger Studien, hängt aber letztlich sehr vom individuellen Gefühl ab. Manche Teilnehmer empfinden 300 ms schon als wesentlich störend, weil das Gespräch dann nicht mehr wirklich interaktiv sei, besonders empfindliche Benutzer stoßen schon bei 200 ms an diese Schmerzgrenze, während andere Benutzer bei 500 oder mehr ms immer noch keine Probleme haben. Vergleichsweise sei gesagt, dass normale PBXn mit Verzögerungen zwischen 50 und 100 ms arbeiten, also weit unter der Schmerzschwelle empfindlicher Benutzer.

Als Konsequenz muss man sagen, dass im LAN überwiegend keinesfalls mehr als 40 ms Verzögerung hingenommen werden dürfen, weil ja außerhalb des Netzes weitere Verzögerungen entstehen. Dies ist mit herkömmlichem Shared Medium Ethernet nicht zu erreichen, da es hier zu Verzögerungen zwischen 20 und 200 ms kommt.

Also wird man eher in Richtung 100 Mbps oder Gigabit Switched LANs gehen.

weiter mit: Stromversorgung der IP-Telefone

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