Schutz vor kriminellem Handel im Internet Zur Strafbarkeit krimineller Plattformen im Internet

Autor / Redakteur: Dipl.-Phys. Oliver Schonschek / Peter Schmitz

Kriminelle Online-Plattformen müssen bekämpft werden, daran besteht kein Zweifel. Ob ein spezielles Gesetz zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet und des Bereitstellens entsprechender Server-Infrastrukturen dafür geeignet ist, wird kontrovers diskutiert. Kritiker sprechen von Generalverdacht und ungeeigneten Mitteln.

Anbieter zum Thema

Ein neuer Paragraph im Strafgesetzbuch soll den Betrieb von kriminellen Handelsplattformen und deren Infrastruktur unter Strafe stellen.
Ein neuer Paragraph im Strafgesetzbuch soll den Betrieb von kriminellen Handelsplattformen und deren Infrastruktur unter Strafe stellen.
(© Brian Jackson - stock.adobe.com)

„Wenn auf kriminellen Plattformen Geschäfte gemacht werden mit entsetzlichen Bildern von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, soll sich niemand herausreden, er habe nur die Plattform bereitgestellt und nichts gewusst“, erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. „Gleiches gilt, wenn die Plattformen etwa für Waffen- oder Drogenhandel, den Verkauf von gehackten Passwörtern oder gestohlenen Kreditkartendaten genutzt werden. All diese Geschäfte sind strafbar. Aber Ermittlungen gegen die Betreiber solcher Plattformen waren bisher oftmals schwierig, wenn diese sich ahnungslos gaben. Deshalb schaffen wir einen neuen Straftatbestand. Wir brauchen eine effektive und konsequente Strafverfolgung im digitalen Raum.“

In das Strafgesetzbuch soll ein neuer § 127 eingefügt werden. Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von bestimmten rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern, soll mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden können. Ebenso soll bestraft werden, wer wissentlich oder absichtlich Server-Infrastrukturen für entsprechende Handelsplattformen bereitstellt.

Bei gewerbs- oder bandenmäßigem Betreiben von kriminellen Handelsplattformen soll der Strafrahmen bei sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe liegen. Beabsichtigt der Täter oder weiß er, dass durch die Handelsplattform Verbrechen ermöglicht oder gefördert werden sollen, muss er künftig mit einer Strafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe rechnen. Damit sollen künftig auch Fälle von Plattformen erfasst werden, auf denen Kinderpornografie gehandelt oder getauscht wird.

Ein Problem: Nachweis der Beihilfe

Das geltende Strafrecht stellt diese Taten bereits unter zum Teil hohe Strafen: Plattform-Betreiber, deren Foren oder Online-Marktplätze für diese Taten genutzt werden, können sich der Beihilfe schuldig machen. Wenn dem Betreiber allerdings keine Kenntnis von den konkret gehandelten Waren nachgewiesen werden kann, kann es bisher an dieser Beihilfe-Strafbarkeit fehlen, etwa bei vollautomatisiert betriebenen Plattformen. Daher bedarf es einer Ergänzung der strafrechtlichen Regelungen, so das Bundesjustizministerium.

Neben der Einführung des neuen Straftatbestandes sollen auch Ermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dazu sollen die Qualifikationstatbestände, die gewerbsmäßiges oder bandenmäßiges Handeln oder die gezielte Förderung von Verbrechen voraussetzen, in die Straftatenkataloge der Telekommunikationsüberwachung, der Onlinedurchsuchung und der Verkehrsdatenerhebung aufgenommen werden.

Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann lobte das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen: „Ich bin dankbar, dass die Bundesregierung den Gesetzesentwurf vorgelegt hat. Damit wird eine sehr relevante Strafbarkeitslücke geschlossen. Nunmehr sollen auch die Betreiber vollautomatischer Handelsplattformen für illegale Güter strafrechtlich belangt werden können.“

Die hessische Justizministerin äußerte jedoch auch Verbesserungsvorschläge: „Trotz der begrüßenswerten Zielrichtung bedarf es einiger Verbesserungen im Detail, um der geplanten Regelung zu größerer Durchschlagskraft zu verhelfen. Die Ausschüsse haben hierzu Empfehlungen vorgelegt, die ich sehr begrüße. Insbesondere sollte die Regelung nicht zu eng gefasst werden. Der Straftatbestand soll ausschließlich Plattformen erfassen, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von bestimmten Straftaten zu ermöglichen oder zu fördern. Diese Straftaten sollen in einem Katalog abschließend aufgeführt werden. Ich bin dafür, den geplanten Straftatenkatalog zu streichen. Wenn die beabsichtigte Vorschrift ihr Ziel, als Auffangtatbestand zu dienen, erreichen soll, muss dieser Katalog entfallen, denn er ist lückenhaft.“

Kritik nicht nur am Begriff Handelsplattformen

„Es steht außer Frage, dass Waffen, Drogen und Kinderpornografie nichts im Netz zu suchen haben und der entsprechende illegale Internet-Handel wirksam eingegrenzt werden muss“, sagte dazu Alexandra Koch-Skiba, Leiterin der eco Beschwerdestelle. „Doch der vorgelegte Entwurf setzt quasi jede Plattform im Netz unter Generalverdacht, entbehrt jeglicher klarer Definition der Normadressaten und greift damit eindeutig zu weit. Hier muss der Gesetzgeber nachbessern, ansonsten besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die Anbieter und ihre legitimen Geschäftsmodelle.“ So schließt der Entwurf auch Plattformen und Internet-Foren mit ein, auf denen Nutzer sich zu nichtkommerziellen Zwecken austauschen – vom sozialen Netzwerk, bis zum Online-Spiel mit Chatfunktion oder dem News-Artikel mit Kommentarfeld.

Weiter befürchtet der eco Verband, dass durch das neue Gesetz der Einsatz sogenannter Staatstrojaner womöglich erleichtert werde. Koch-Skiba: „Bevor Kabinett und Bundestag über ein so weitreichendes Gesetz entscheiden, sollten die daraus entstehenden Konsequenzen erst einmal zu Ende gedacht werden.“

Mit der Kritik steht der Verband der Internetwirtschaft nicht alleine. Von verschiedenen Stellen wurde Änderungsbedarf gesehen, zum Beispiel auch von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM e. V.). Unter anderem der Begriff der Handelsplattform wird als problematisch angesehen. Essentiell sei es, dass nur Plattformen erfasst würden, die tatsächlich eine kriminelle Ausrichtung haben und ausschließlich oder überwiegend den Handel mit inkriminierten Waren oder Dienstleistungen anbieten. Plattformen, die hingegen rechtmäßige Geschäftsmodelle verfolgen, dürften nicht unter den Tatbestand des § 127 StGB-E fallen. Dies gelte auch für solche Fälle, in denen Plattformen mit rechtskonformen Angeboten gelegentlich für kriminelle Zwecke genutzt werden. Insbesondere Plattformanbieter, die ihren Melde- und Abhilfepflichten im Sinne des NetzDG sowie im Sinne des TMG nachkommen und entsprechende Angebote nach Meldung entfernen, dürften nicht kriminalisiert werden, so FSM.

Neue Gesetze reichen (natürlich) nicht

Der Deutsche Richterbund zum Beispiel begrüßt den Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet in seiner Gesamtheit ausdrücklich. Allerdings sagen die Richter auch: „Freilich wird allein mit der Schaffung eines neuen Straftatbestandes sowie einer punktuellen Erweiterung von Ermittlungsmöglichkeiten die Bekämpfung krimineller Plattformen im Internet nicht gelingen. Die Strafjustiz arbeitet bereits gegenwärtig an ihrer Belastungsgrenze.“

Internetkriminalität könne nur dann effektiv und nachhaltig bekämpft werden, wenn die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden über die notwendigen personellen Ressourcen und technischen Kapazitäten verfügen.

Im Gesetzesentwurf jedoch findet man die Einschätzung: „Mehraufwand im justiziellem Kernbereich kann in geringem Umfang in den Ländern entstehen.“ Die Erfahrungen der Strafjustiz mit Internetkriminalität sehen sicherlich anders aus.

(ID:47381511)