Blaumacheritis durch Homeoffice und 3G Pandemie der betrügerischen Mitarbeiter?

Von Marcus R. Lentz Lesedauer: 5 min |

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Durch die veränderten Arbeitsbedingungen in der Pandemie steigt das Risiko, dass Mitarbeiter ihren Arbeitgeber hintergehen. So deckten Detektive etwa Fälle von Ungeimpften auf, die sich im Zuge der 3G-Regelung krankschreiben ließen. Die geringere Kontrolle über die tatsächliche Arbeitszeit im Homeoffice bietet betrügerischen Mitarbeitern zudem Gelegenheit, ihre Work-Life-Balance aufzupolieren.

Um rechtlich gegen einen Mitarbeiter vorgehen zu können, bei dem bei Verdacht auf Lohnfortzahlungsbetrug besteht, brauchen Unternehmer gerichtsfeste Beweise.
Um rechtlich gegen einen Mitarbeiter vorgehen zu können, bei dem bei Verdacht auf Lohnfortzahlungsbetrug besteht, brauchen Unternehmer gerichtsfeste Beweise.
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Noch bis zum 19. März 2022 gilt am Arbeitsplatz die 3G-Regelung nach § 28a Abs. 7 S. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Arbeitnehmer dürfen ihre Arbeitsstätten nur betreten, wenn sie geimpft, genesen oder (täglich) negativ getestet sind. Und Arbeitgeber sind gemäß § 28 b Abs. 3 IfSG verpflichtet, die 3G-Bestimmungen regelmäßig zu kontrollieren.

Verweigern Arbeitnehmer einen Nachweis oder Test, dürfen sie ihren Arbeitsplatz nicht betreten und können damit ihre Arbeitsleistung nicht erbringen. Das bedeutet natürlich auch, dass sie keinen Lohn erhalten. Bei langfristiger Verweigerung drohen Abmahnungen und letztlich die Kündigung. Ein möglicher Ausweg für Testunwillige scheint eine Krankschreibung zu sein.

Tatsächlich kommunizierten Medien mit der Einführung der 3G-Regelung zunächst einen rasanten Anstieg falscher Krankmeldungen ungeimpfter Mitarbeiter. Eine Datenanalyse der AOK Nord ergab hingegen, dass die hohen Krankenstände sich bereits seit Oktober abzeichneten und somit der Pandemie im Allgemeinen geschuldet waren.

Also alles halb so schlimm?

Im Gegenteil. In einigen Betrieben scheint statt Covid tatsächlich die Blaumacheritis zu grassieren. Detekteien verzeichnen seit der Testpflicht für ungeimpfte Arbeitnehmer einen signifikanten Anstieg an Aufträgen zur Mitarbeiterüberprüfung. Und in vielen Fällen können die Ermittler den Verdacht des Arbeitgebers leider bestätigen.

Auch beim Arbeitszeitbetrug setzen Unternehmen derzeit verstärkt auf die Hilfe von Ermittlungsprofis. Denn es sind nicht nur renitente Impfgegner, die sich durch 3G am Arbeitsplatz zum Blaumachen animiert fühlen. Bis zum 19. März gilt gemäß § 28b IfSG auch die Pflicht für Arbeitgeber, ihren Angestellten die Arbeit im Homeoffice anzubieten. Und Arbeitnehmer müssen dieses Angebot in der Regel annehmen.

Die Homeoffice-Pflicht und die Möglichkeit, sich am Telefon krankschreiben zu lassen, erleichtern es Arbeitsunwilligen ungemein, sich ein paar zusätzliche freie Tage auf Kosten des Arbeitgebers zu ergaunern. Schließlich entfallen durch die räumliche Distanz die direkte Kontrolle der erbrachten Arbeitsleistung und die persönliche Untersuchung durch einen Arzt. Schnupfen und Heiserkeit sind am Telefon leicht zu simulieren.

Kosten in Milliardenhöhe

Obwohl die Krankenstandszahlen in Deutschland – wider Erwarten – während der letzten beiden Pandemiejahre rückläufig waren, stiegen die Ausgaben der Unternehmen für die Entgeltfortzahlung weiter stark an. So sank der Krankenstand 2021 auf 4,51 Prozent. Zum Vergleich: 2019 belief sich der Wert noch auf 4,66 Prozent, 2020 betrug er 4,61 Prozent (der Krankenstand gibt den Prozentanteil der Kalendertage pro Monat an, die jeder Beschäftigte durchschnittlich krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist).

Demgegenüber stehen wachsende Krankheitskosten auf Seiten der Arbeitgeber: Mussten deutsche Firmen im Jahr 2019 insgesamt 67,5 Milliarden Euro Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall aufwenden, waren es 2020 sogar 74,3 Milliarden Euro.

Ein Rechenbeispiel

Zahlen in zigfacher Milliardenhöhe bleiben für den Menschen meist sehr abstrakt. Doch was bedeuten die gesetzlichen Regelungen zur Lohnfortzahlung in einem konkreten Einzelfall? Wenn ein Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfällt, zahlt der Arbeitgeber nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) für insgesamt sechs Wochen das volle Gehalt, danach leistet die Krankenkasse Krankengeld in Höhe von 70 Prozent des Bruttoentgelts. Allgemeinen Schätzungen zufolge können erkrankte Angestellte ihren Arbeitgeber bis zu 400 Euro pro Tag kosten (in kleinen und mittleren Unternehmen fallen pro Tag etwa 250 Euro an).

Erschleicht sich ein an akuter Faulheit leidender Mitarbeiter nun – ganz leicht am Telefon – eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) wegen angeblicher Erkältungsbeschwerden, laufen bei maximaler Dauer von sieben Kalendertagen für eine normale Arbeitswoche mit fünf Tagen also 2.000 Euro an Kosten auf. Ein nicht unerheblicher Schaden, insbesondere für krisengeschüttelte Unternehmen während der Corona-Pandemie.

Falsche Krankschreibung – echte Probleme

So leicht das Blaumachen während der Pandemie scheint, so schwer können die Folgen sein. Legt ein Arbeitnehmer ein falsches Attest vor, um die lästige Testpflicht zu umgehen, handelt es sich um Lohnfortzahlungs­betrug gemäß § 263 Strafgesetzbuch (StGB). Dieser kann nach § 626 BGB letztlich sogar mit einer fristlosen Kündigung geahndet werden.

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Allerdings ist der Nachweis für Unternehmen sehr schwierig: Eine vom Arzt ausgestellte AU hat für die Rechtsprechung stets hohe Beweiskraft. Der Arbeitgeber muss also den Gegenbeweis führen, dass diese AU ohne Vorliegen einer Erkrankung ausgestellt wurde. Kaum machbar – auch angesichts der aktuell noch geltenden erleichterten Bedingungen für Betrüger durch telefonische Krankschreibungen oder das Arbeiten im Homeoffice.

Homeoffice und Arbeitszeitbetrug

Haben 2019 nur 12,9 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland von zu Hause aus gearbeitet, belief sich die Quote laut ifo-Institut von Januar bis Juni 2021 durchschnittlich auf rund 30 Prozent. Und diese Entwicklung wird Arbeitgeber wahrscheinlich auch nach dem Ende der Pandemie noch beschäftigen: Berechnungen von Bitkom zufolge wird zukünftig mehr als jeder dritte Beschäftigte (35 Prozent) ganz oder teilweise im Homeoffice arbeiten.

Auch im Homeoffice müssen die vertraglich geregelten Arbeits- und Pausenzeiten eingehalten werden. Nimmt ein Angestellter es bei der Zeiterfassung aber nicht so genau, macht er sich gemäß § 263 StGB des Arbeitszeitbetrugs schuldig. In diesem Fall ist der Arbeitgeber zu einer verhaltensbedingten, fristlosen Kündigung berechtigt. Die Gerichte nehmen es dann übrigens umso genauer: Für das Bundesarbeitsgericht rechtfertigten 2011 bereits 145 Minuten zu viel abgerechnete Arbeitszeit die fristlose Kündigung einer Mitarbeiterin.

Überführung mittels Detektiveinsatz

Um rechtlich gegen einen verdächtigen Mitarbeiter vorgehen zu können, brauchen Unternehmer gerichtsfeste Beweise. Hier lohnt sich der Einsatz einer professionellen Detektei. Mittels Observation können ZAD-geprüfte Detektive Blaumacher überführen, indem sie genesungswidriges Verhalten dokumentieren. Wird ein angeblich Kranker, der beispielsweise über Fieber klagt, von den Ermittlern bei schweren körperlichen Arbeiten oder intensivem Workout erwischt, ist er gerichtstauglich als Betrüger entlarvt. Als Voraussetzungen für eine rechtlich zulässige Mitarbeiterüberwachung müssen Arbeitgeber einen konkreten Tatverdacht und ein berechtigtes Interesse – den Schutz ihres Eigentums – an der Aufklärung haben.

In der derzeitigen Pandemielage gilt die Mitarbeiterbeobachtung bei Verdacht auf Lohnfortzahlungsbetrug schon als gerechtfertigt, wenn der Mitarbeiter nicht geimpft ist, die regelmäßige Testung auf Corona verweigert und gehäuft wegen Krankheit ausfällt. Im Fall von Arbeitszeitbetrug kann ein hinreichender Tatverdacht bestehen, wenn der Arbeitnehmer während seiner regulären Arbeitszeiten nicht erreichbar ist oder sich ein drastischer Leistungsabfall bei der Arbeit von zu Hause aus zeigt.

Über den Autor: Marcus R. Lentz ist geschäftsführender Gesellschafter der deutschlandweit operierenden Lentz Gruppe. Er arbeitet seit 1987 als Privatdetektiv und gründete 1995 seine eigene Detektei. Der ZAD-geprüfte Privatermittler (IHK) und Mediator (Univ.) ist darüber hinaus auch als Fachgutachter für Anwälte und vor Gericht tätig. Sein Spezialgebiet sind Ermittlungen und Internetrecherchen.

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