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Lassen wir zur Frage: ‚Welche Sicherheitsprobleme im Produktionsumfeld gibt es und welche Ursachen haben sie?‘ noch ein paar andere Experten zu Wort kommen.
David Heinze: Mit der zunehmenden Digitalisierung, Vernetzung und Durchdringung mit Technologien der Informations- und Kommunikationsbranche hat sich im Produktionsumfeld über die letzten 40 Jahre das Angebot an Schnittstellen und die Vielzahl an Softwareprodukten gleichermaßen erhöht. Damit diese Schnittstellen und Softwareprodukte nicht zu Schwachstellen und damit zu einem Security-Problem werden, bietet Siemens seit langem umfangreiche Konzepte zur Erhöhung der Industrial Security an.
Da sich durch den Weg hin zu Industrie 4.0 der geschilderte Trend über die nächsten 20 Jahre fortsetzen wird, kommt auch der nachhaltigen Sicherung der Industrial Security unverändert große Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu realisieren, dass Industrial Security kein Produkt ist, das man von der Stange kaufen kann, Industrial Security ist vielmehr eine Managementaufgabe, die konsequent verfolgt werden muss.
Rainer Schmidt: Industrie 4.0 schöpft ihre Vorteile primär aus der Optimierung und dem Ineinandergreifen von Prozessen. Das wird über Datennetzwerkprotokolle und darüber liegende Anwendersoftware gesteuert. Diese Software ist sehr komplex und bietet damit auch Angriffsfläche für Fehler bzw. unbeabsichtigte oder sogar bewusst herbeigeführte Eingriffe von außen. Anwender, die auf Industrie 4.0 setzen fangen ja nicht von Null an. Vielmehr wachsen ihre Anlagen und damit auch die Automatisierungslösungen stetig.
Genauso verhält es sich mit möglichen Security-Problemen. Somit sind alle Anwender gut beraten, wenn sie ihre Security-Politik auch konsequent weiterentwickeln. Dazu gehören eine sichere und stabile Hardware – nicht nur die Elektronik, auch die Verkabelung muss dazu langfristig betriebssicher ausgelegt sein - die Auswahl der richtigen, für die jeweiligen Aufgaben am besten geeigneten Automatisierungsprofile und die professionelle Implementierung bis hin zur Nutzung von Security Modulen und-Prozeduren.
Horst Kalla: Mittlerweile ist der Gedanke der vierten industriellen Revolution – Industrie 4.0 – in der Industrie angekommen. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien wie Cyber-Physical Systems, Big Data und Cloud Computing versprechen der produzierenden Industrie mehr Produktivität, Qualität und Flexibilität. In dieser Welt bildet das Internet als Kommunikationsplattform die Basis von Industrie 4.0 sowie der Smart Factory mit ihrem Produktionsnetzwerk.
Dieses Netzwerk gegen unbefugte Eingriffe jeglicher Art abzusichern, ist eine besondere Herausforderung. Denn: Die neuen Automatisierungskonzepte werden gekennzeichnet sein durch signifikant mehr Interaktionen, also durch eine deutlich stärkere autonome Steuerung der Produktionseinrichtungen und des weltweiten Datenaustausches sowie Fernzugriffs für standortunabhängige Service und Wartungsarbeiten. Industrielle Gigabit Security Router mit integrierten Firewall- und Security-Funktionen stellen eine ideale Sicherung des Netzwerkes dar, denn sie eröffnen nur legitimierten Nutzern und ihren Daten den Zugang zum Produktionsnetzwerk.
Ein weiteres Security-Problem bzw. Funktionsproblem kommt aus dem Produktionsumfeld selbst, der Grund sind weitläufige Anlagen. In diesen Anlagen sind Leitungs- und Kabellängen von 100 m und mehr anzutreffen, auf denen Einkopplungen und Potenzialunterschiede die angeschlossenen sensiblen Steuerungssysteme der Cyber-Physical Systems und Netzwerke beeinträchtigen. Die großen Distanzen sorgen mit den damit verbundenen Übergangswiderständen für Potenzialunterschiede bis zu mehreren Volt zwischen den weit entfernten Punkten. Die Folge: bedingt durch den Ausgleichsstrom, liegt auf der Leitung ein Strombelag, der keinerlei Funktion erfüllt, Energie verbraucht und zudem ein eigenes elektrisches Feld erzeugt. Hier bietet Weidmüller mit dem Schirmbügel mit integriertem Frequenzfilter eine Lösung.
Armin Glaser: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik weist im Zusammenhang mit den TOP 10 Bedrohungen klar darauf hin, dass in Zukunft mit einem Anstieg der Angriffe auf das Produktionsumfeld zu rechnen ist. Aktuell vor allem noch im Bereich des Know-how- und Produktschutzes. Die Vorfälle werden aber von den betroffenen Unternehmen bedauerlicherweise oft nicht erkannt. Besonders bei den klein- und mittelständischen Unternehmen ist das Bewusstsein für Sicherheitsmaßnahmen im Sinne von Security im Produktionsumfeld kaum vorhanden. Häufigste Ursache für Sicherheitslücken ist also Unwissenheit: Um zwischen vermeintlichen und tatsächlichen Risiken unterscheiden zu können und auch weniger offensichtliche Gefahren zu erkennen, sind Expertise in den Bereichen Produktion, IT und Automatisierung unverzichtbar. Denn nur wer die Prozesse versteht, kann einschätzen, wie sich die einzelnen Komponenten bei einer Bedrohungslage bewähren.
Jörg Neumann: Ja, wir müssen leider davon ausgehen, dass sich die Anzahl der Security-Probleme erheblich steigern wird. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben wir bisher, also in den existierenden Industrie 3.0-Anwendungen, die Sicherheitsproblematik noch nicht umfassend gelöst – denn unzählige Industrial Control Systeme (ICS) in vernetzten Produktionsanlagen lassen sich nach wie vor relativ einfach angreifen. Viele 3.0-Schwachstellen werden wir in den ersten Industrie 4.0-Anwendungen sicherlich wiederfinden. Zum anderen wird sich die Aufmerksamkeit in Bezug auf mögliche Cyberangriffe weiter steigern. Bis heute wurden viele Attacken von den Zielobjekten ja noch nicht einmal bemerkt. Hinzu kommt, dass die Anzahl der Bedrohungen und möglicher Cyberangreifer ständig zunimmt und dass die Angriffe immer professioneller werden. Der Vernetzungsgrad von Industrie 4.0 wird sicherlich auch neue Geschäftsmodelle für Cyberkriminelle eröffnen.
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