Diese Länder setzen finanzielle Anreize für Informanten Schutz für Whistleblower ja – Belohnung eher nicht
Den Arbeitgeber wegen Steuerhinterziehung melden? Vertuschungsaktionen bei einem Atomkraftwerk aufdecken. Sollen solche Hinweise belohnt werden? Die wenigsten Länder machen das. Vorreiter sind die USA. In der DACH-Region ist man kritisch gegenüber dieser Idee.
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Hätte jemand rechtzeitig Alarm geschlagen, hätte im Mai 2021 das Seilbahnunglück am Lago Maggiore mit 13 Toten vielleicht verhindert werden können. Durch Manipulation der Notbremse, weil diese Betriebsstörungen verursachte, raste die Gondel ungebremst talabwärts. Laut Recherchen des Nachrichtensenders ZDFs waren die Vorrichtungen, um die Notbremse auszuhebeln, bereits seit mehreren Jahren angebracht.
Sollen Hinweisgeber, die Missstände veröffentlichen, belohnt werden? Auf diese Frage gibt es unterschiedliche Antworten. Klar ist, dass zumindest in der Europäischen Union (EU) Hinweisgeber geschützt werden. Dafür sorgt seit 2019 die EU-Whistleblower-Richtlinie. Die einzelnen Mitgliedstaaten haben noch bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, um die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Das Bundesministerium für Justiz hat bereits einen Referentenentwurf zum sogenannten „Hinweisgeberschutzgesetz“ (HinSchG) vorgelegt, auf den sich die Koalitionspartner bisher noch nicht verständigen konnten, da er über die Vorgaben der EU-Richtlinie deutlich hinausgeht.
Allerdings schreibt kaum ein Land „Whistleblower Bounties“ aus, die als finanzieller Anreiz für die Offenlegung sensibler Informationen dienen sollen. Zu diesem Ergebnis kommt Business Keeper, ein Anbieter elektronische Hinweisgebersysteme. Dazu untersuchten die Compliance-Experten über 30 Länder mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen bezüglich finanzieller Anreize für Whistleblower.
Belohnung in den USA
Vorreiter für diese Belohnungen sind die Vereinigten Staaten. Hier gibt es vier Programme, die Informanten aus allen Ländern schützen und im Rahmen derer Belohnungen ausgeschrieben werden. Dabei muss die US-Regierung durch die Offenbarungen der Meldeperson mindestens eine Million US-Dollar zurückgewinnen, um ihr eine Belohnung zuzusprechen. Die Programme decken vorrangig finanziellen Betrug und Bestechung ab, die dem US-Rechtssystem unterstellte Unternehmen sowie deren Mutter- oder Tochterfirmen betreffen. Meldende Personen erhalten zwischen zehn und 30 Prozent der Summe, die die Regierung zurückerlangen konnte.
In Kanada haben Whistleblower Anspruch auf fünf bis 15 Prozent der zurückgewonnenen Summe („OTIP“-Programm) oder fünf bis 15 Prozent der fälligen Sanktionen („The Ontario Securities Commission Office of the Whistleblower“-Programm). Ähnliches gilt in Südkorea, wo Hinweisgebern zwei Belohnungs-Programme angeboten werden. Dort werden zwischen fünf und 20 Prozent der zurückerlangten Summe ausgezahlt. In Peru sind bis zu 130.000 US-Dollar Belohnung für Meldende von Kartellabsprachen möglich. In Ghana erhält der Hinweisgeber im Falle einer Verurteilung bis zu zehn Prozent der zurückerlangten Summe oder eine von der Generalstaatsanwaltschaft festgelegte Entschädigung.
Gesetzeslage in Europa
Deutschland, Österreich und die Schweiz weisen die Einführung finanzieller Anreize für Whistleblower explizit ab. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern. Dazu zählen:
- Rumänien: 2018 zog das Land erstmals die Implementierung von Belohnungen in Erwägung.
- Polen: In manchen Fällen können Hinweisgeber eine Kompensation für unrechtmäßige Behandlung am Arbeitsplatz oder die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Die Höchstsumme der finanziellen Entschädigung beträgt bis zu drei Monatsgehälter.
- Ungarn: Informanten, die der ungarischen Wettbewerbsbehörde belegbare Hinweise auf Kartelle liefern, können umgerechnet bis zu 140.000 Euro erhalten.
- Großbritannien: Im Rahmens des „Tax Whistleblowers Report to Her Majesty’s Revenue and Customs (HMRC)“ können Personen für die Meldung von Steuerhinterziehungen finanziell entlohnt werden. Die Höhe der Kompensation ist nicht einheitlich festgelegt und variiert je nach Fall. Zwischen 2017 und 2018 wurden etwas mehr als 400.000 Euro als Belohnung ausgeschüttet.
- Ukraine: In dem Land sind finanzielle Anreize für Whistleblower gegeben.
- Slowakei: Für Aufdeckungen, die zu einem rechtskräftigen Gerichtsurteil führen, können Hinweisgeber Belohnungen erhalten, die den Mindestlohn bis zu 50 Mal übersteigen.
- Litauen: Seit Juli 2019 werden Hinweise auf Kartelle mit Summen zwischen 1.000 und 100.000 Euro belohnt.
„Unsere Analyse zeigt, dass Deutschland deutlich weniger progressiv eingestellt ist, als beispielsweise die USA oder einige europäische Nachbarstaaten. Das Hauptargument der Gesetzgebung gegen finanzielle Anreize für Hinweisgeber besteht darin, dass Meldungen kein Profitgedanke zugrunde liegen darf“, erläutert Kai Leisering, Managing Director von Business Keeper. „Aus praktischer und jahrelanger Erfahrung, Datenauswertungen und Gesprächen mit internationalen Compliance-Beauftragen wissen wir, dass kaum Meldungen mit diesem Hintergrund eingehen. Sollte der Staat durch die Verkündung von Anreizen ein positives Zeichen an Hinweisgeber senden, wäre dies vielmehr ein Signal, dass ihre Rechte und ihr Schutz ernst genommen werden.“
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