Argumente für den Datenschutz Wie wäre eine Welt ohne Datenschutz?

Der Datenschutz setzt Unternehmen unter Dauerdruck, sagt zum Beispiel der Digitalverband Bitkom. Der Aufwand zur Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gilt als zu hoch. Ist der Datenschutz zu streng und realitätsfremd? Hemmt er den Geschäftserfolg, kostet er gar Leben? Wer Argumente für den Datenschutz sucht, sollte überlegen, was ohne Datenschutz passieren würde.

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Der Datenschutz schützt nicht einfach nur Daten, sondern schützt Menschen. Er ist kein Verhinderer, sondern ein wichtiger Regulator und Steuerungsfaktor und trägt zu Akzeptanz und Vertrauen in der Bevölkerung bei.
Der Datenschutz schützt nicht einfach nur Daten, sondern schützt Menschen. Er ist kein Verhinderer, sondern ein wichtiger Regulator und Steuerungsfaktor und trägt zu Akzeptanz und Vertrauen in der Bevölkerung bei.
(Bild: peterschreiber.media - stock.adobe.com)

So manches Missverständnis ließe sich vermeiden, wenn die verwendeten Begriffe nicht in die falsche Richtung weisen würden. Der Datenschutz ist ein Beispiel dafür. Nicht erst in Zeiten der Corona-Pandemie konnte und kann man lesen, dass der Datenschutz Menschenleben kosten würde.

Der Gedanke dahinter ist: Wäre der Datenschutz nicht so streng oder gar nicht gefordert, könnte man die Verbreitung von Infektionen besser nachvollziehen. Dann könnten die Menschen sich und andere gezielter vor einer Ansteckung schützen.

Doch verhindert der Datenschutz wirklich den Schutz von Menschenleben? Werden also Daten geschützt, aber die Menschen nicht?

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz erklärt: „Wir schützen Menschen, nicht Daten!“. Eigentlich sollte dies bereits dafür ausreichend sein, viel Kritik am Datenschutz verstummen zu lassen. Datenschutz ist Menschenschutz, und sollte der Aufwand, der für den Datenschutz erbracht werden soll, nicht alleine dadurch schon gerechtfertigt sein?

Aber Kritiker des Datenschutzes werden sagen, man könne die Menschen auch anders schützen, diesen Datenschutz brauche man nicht. Die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz und letztlich jede Datenschützerin und jeder Datenschützer werden mit solcher Kritik konfrontiert, die sagt, ein solcher Datenschutz sei unnötig. Was also wäre, wenn es keinen Datenschutz geben würde?

Können mehr Menschenleben gerettet werden, wenn es keinen Datenschutz gäbe?

„Die Pandemie zeigt, wie der Datenschutz als Sündenbock herhalten muss, wenn Dinge schief gehen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht behauptet wird, dass die Pandemie leicht in den Griff zu bekommen sei, wenn wir nur den Datenschutz zurechtstutzen würden", so die Datenschutzbeauftragten von Berlin und Rheinland-Pfalz.

„Datenschutz verhindert nicht die Pandemiebekämpfung! Datenschutz ist gerade in Krisenzeiten wichtig“, erklärte Marit Hansen, die Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein. „In der andauernden Pandemiesituation ist es sogar besonders relevant, dass Datenschutz nicht als lästiges und verzichtbares Anhängsel wahrgenommen, sondern von Anfang an mitgedacht und eingebaut wird. Wer darauf verzichtet, riskiert nicht nur Pannen oder Datenmissbrauch, sondern setzt jegliches Vertrauen aufs Spiel.“

Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Professor Dr. Alexander Roßnagel stellte ebenfalls klar, dass der Datenschutz die effektive Bekämpfung der Pandemie nicht behindert, in Wirklichkeit erlaubt das Datenschutzrecht die Datenverarbeitung zur Pandemiebekämpfung.

Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nach der Datenschutz-Grundverordnung insbesondere zulässig, wenn sie erforderlich ist, um „lebenswichtige Interessen“ zu schützen. Als ein Beispiel für ein solches Interesse nennt die Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich die „Überwachung von Epidemien“. Wenn Impfen, Testen und Kontaktverfolgung nicht wie gewünscht funktionieren, ist dies also nicht die Schuld des Datenschutzes, wie Prof. Roßnagel klarstellte.

Sein Resümee: „Wir benötigen kein Zurückschrauben des Datenschutzrechts. Im Gegenteil – die Einschränkung des Grundrechts auf Datenschutz wäre kontraproduktiv. In der Krise hat der Datenschutz Flexibilität und Schutzwirkung gleichzeitig erwiesen.“

Prof. Kugelmann, der rheinland-pfälzische Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sieht dies genauso: „Der Datenschutz ist kein Verhinderer, sondern ein wichtiger Regulator und Steuerungsfaktor. Er trägt zu Akzeptanz und Vertrauen in der Bevölkerung bei.“

Nicht nur die Pandemie liefert viele Beispiel, warum Datenschutz nicht Menschenleben gefährdet, sondern den Menschen helfen soll und kann. Prof. Kugelmann berichtete zum Beispiel: „In Italien ist Anfang dieses Jahres bekannt geworden, dass ein zehnjähriges Mädchen gestorben ist, vermutlich weil sie sich an einer Tiktok-Mutprobe beteiligt hat. Nach den Nutzungsbedingungen der Plattform hätte das Mädchen aufgrund ihres Alters selbst nicht ein Tiktok-Profil eingerichtet haben dürfen. Die italienische Datenschutzaufsichtsbehörde ist daraufhin gegen Tiktok vorgegangen.“

Prof. Kugelmann stellte klar: „Die aktuellen Fälle zeigen zum Teil auf dramatische Weise, welchen Stellenwert Datenschutz und Datensicherheit in digitalen Zeiten haben müssen. Wenn nicht auf allen Seiten mehr für den Datenschutz getan wird, könnten immer mehr Bürgerinnen und Bürger Opfer von Betrugsversuchen, Cyber-Attacken und Mobbing werden.“

Wäre die Digitalisierung erfolgreicher, wenn der Datenschutz nicht mehr da wäre?

Nicht Daten, sondern Vertrauen sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts, betont der Bundesdatenschutzbeauftragte. „So reizvoll die neuen Möglichkeiten von Big Data, Künstlicher Intelligenz und neuen datengetriebenen Geschäftsmodellen auch sein mögen: Im Mittelpunkt muss immer der Mensch stehen“, erklärt Prof. Kelber als Datenschutzbeauftragter des Bundes. „Nicht als Objekt, sondern als selbstbestimmtes Individuum, das stets die Kontrolle über seine Daten behält. Wir Datenschützer werden uns weiter dafür einsetzen, dass diese Kontrolle und damit auch das Vertrauen in die Datenverarbeitung zurückgewonnen wird.“

Professor Wolf-Dieter Lukas, zu dieser Zeit Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, argumentiert die Bedeutung des Datenschutzes so: „Ich halte die verantwortungsvolle Nutzung digitaler Daten für eine der Kernvoraussetzung für ein Leben in Freiheit und Wohlstand in Deutschland wie Europa. Gerade forschungsintensive Unternehmen und Forschungseinrichtungen benötigen einen verlässlichen Zugang zu digitalen Daten. Digitale, oft hochgradig personalisierte Daten sind ein äußerst sensibles Gut, das es in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu schützen gilt. Hierfür brauchen wir mehr Lösungen, die sowohl die Nutzung digitaler Daten für innovative Anwendungen ermöglichen als auch die Datensouveränität eines jeden Einzelnen wahrt und etwaigen negativen gesellschaftlichen Begleiterscheinungen entgegenwirkt.“

Nehmen wir nun einmal an, es gäbe diesen Datenschutz nicht. Dann könnten die Daten zu jedem Zweck, von jedem und für eine beliebige Zeit genutzt werden. Die Inhaber der Daten hätten keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, eine Löschung zu verlangen oder zu erfahren, was denn mit ihren Daten geschehen soll.

Wenn die Daten der Personen besonders sensibel sind, also zum Beispiel mit der Gesundheit zu tun haben, könnte ohne Datenschutz also zum Beispiel eine Versicherung entstehen, die bei neuen Mitgliedsanträgen die Gesundheitsdaten auswertet, den einen Kunden annimmt, dem anderen den dreifachen Betrag abverlangt und den nächsten gar nicht aufnimmt.

Diese Versicherung könnte womöglich für sich bestimmte Risiken ausschließen, denn Kunden, die teuer werden können, nimmt sie erst gar nicht an. Entsprechend wäre sie vielleicht wirtschaftlich erfolgreich, aber nur auf den ersten Blick. Würde man denn eine solche Versicherung für gut finden, würde man ihr vertrauen?

Aus gutem Grund sagt man, dass der Datenschutz die Digitalisierung erfolgreich macht, denn Datenschutz ist eine Bedingung für Vertrauen, und nur wer Vertrauen bei seinen Kundinnen und Kunden hat, kann auf Dauer auch Erfolg haben.

Man kann also sagen, Datenschutz ist auch Vertrauensschutz. Dies sollte in Zeiten, in denen „Digital Trust“ als zentraler Unternehmenswert gesehen wird, ein weiteres, gutes Argument für den Datenschutz sein.

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